Offener Brief der Bundesrechtsanwaltskammer, 8.7.2024
Mit großer Irritation haben wir der Presse entnommen, dass die Generalstaatsanwaltschaft eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit – Presseberichten zufolge trotz Wissen um die Einlegung von Rechtsmitteln beim Bundesverfassungsgericht – nach Ungarn (über Österreich) ausgeliefert hat. Obwohl das Bundesverfassungsgericht in kürzester Zeit die Auslieferung untersagte, eine Entscheidung in der Sache vorab angekündigt war und über die Entscheidung selbst unverzüglich informiert wurde, hatte die Generalstaatsanwaltschaft die Auslieferung vorab und ohne Abwarten auf die Entscheidung vollzogen.
Dies ist in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar. Als Anwaltschaft setzen wir uns für den Zugang zum Recht ein. Dies schließt die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln ebenso ein, wie die zwingende Akzeptanz und Umsetzung von Gerichtsbeschlüssen – insbesondere des höchsten Gerichts in Deutschland. Eine juristische Bewertung des konkreten Falls nehmen wir mangels eigener Erkenntnisse nicht vor. Gleichwohl sehen wir uns durch die Berichterstattung und auch die Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichts selbst veranlasst, Sie um sofortige Aufklärung des Vorganges zu ersuchen. Die Wahrung und Verteidigung des Rechtsstaates ist für die Anwaltschaft von höchster Wichtigkeit.
Wir fordern Sie daher nachdrücklich auf, die rechtsstaatlichen Abläufe, die Akzeptanz der Gewaltenteilung und das aus Art 19 Abs. 4 GG folgende Recht auf effektiven Rechtsschutz, die das Fundament unseres Rechtsstaates sind, in Ihren Ämtern und Ministerien wie auch den dort durchgeführten Verfahren sicherzustellen. Für eine zeitnahe Stellungnahme zu den geschilderten Vorfällen wären wir dankbar.
Den vollständigen offenen Brief finden Sie hier.