Stellungnahme des Willy-Brandt-Kreises zur Eigentumsordnung, 5.10.2014
Kernfrage einer sozialen und ökologisch verantwortlichen Ökonomie
Der Kapitalismus hat seinen Kredit verspielt.
Die etablierte Wirtschaftsordnung muss in Frage gestellt werden.
Schwächen und Widersprüche des Kapitalismus.
Der Kapitalismus ist ins Gerede gekommen. Er kann sein Versprechen, dass alle Menschen gut und immer besser leben und arbeiten können, nicht einlösen. Und der Marktradikalismus der letzten Jahrzehnte hat die ökonomischen, sozialen und ökologischen Probleme, die mit der kapitalistischen Ordnung verknüpft sind, weiter verschärft.
Ökonomisches Wachstum kommt immer weniger allgemeinem Wohlstand zugute, vielmehr dient es der einseitigen Bereicherung einer kleinen, immer reicher werdenden Schicht. Soziale Gerechtigkeit und soziale Grundrechte werden immer ungenierter verletzt; die natürlichen Lebensgrundlagen unvermindert zu Lasten späterer Generationen aufs Spiel gesetzt.
Wir sind mit wiederkehrenden Krisen der Wirtschaft und des Finanzsystems, mit prekärer und schwankender Beschäftigung, sozialer Spaltung und neuer Armut, mit kulturellem Verlust und immer knapper werdenden natürlichen Ressourcen konfrontiert.
Einkommen und Vermögen konzentrieren sich in immer weniger Händen, anonymes Kapital verdrängt den Unternehmer und entzieht sich der Haftung; Finanzkapital spekuliert und vagabundiert durch die Welt. Waffenexporte, Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung, Mietwucher und Verbrauchertäuschung gehören zur Tagesordnung.
Transnationale Konzerne spielen ganze Staaten gegeneinander aus, treiben sie in ruinösen Wettbewerb um Arbeitsplätze, die niedrigsten Löhne und Steuern und einen möglichst niedrigen Umweltschutz. Ökonomische Macht ist zur politischen Macht geworden, hebelt die Demokratie aus.
Wollen wir weiter an einer Ordnung festhalten, in der Krisen endemisch sind, das große Kapital Schicksal spielt und die Politik domestiziert? Wollen wir eine Ordnung verteidigen, die - entgegen aller Regeln der praktischen Lebensweisheit und der Religionen - puren Egoismus fördert, materialistische Gier legitimiert und keine Verantwortung übernimmt für die künftige Generationen?
Diese Probleme sind nicht nur, wie oft gesagt wird, darin begründet, dass „ die“ Politiker und das parlamentarische System versagen. Sie sind maßgeblich struktureller Natur, das heißt: der institutionellen Ordnung des kapitalistischen Systems immanent. Diese ist vor allem durch ein materialistisch reduziertes Menschenbild und eine (privatistische) Eigentumsverfassung determiniert.
Aktuelle Begründung der Eigentumsfrage
Die kapitalistische Schlagseite der Eigentumsordnung hat sich im Zuge der neoliberalen Offensive der vergangen Jahrzehnte verschärft. Die Eigentumsfrage hat damit an Aktualität gewonnen und belastet das alltägliche Leben der Menschen in vielfältiger Gestalt.
In vielen Ländern stehen öffentliche Güter wie Gesundheit und Bildung, der öffentliche Verkehr und Wohnungsbau, kommunale Versorgungsunternehmen und kulturelle Einrichtungen und Sportvereine unter dem Druck der Privatisierung.
Mit der Eigentumsordnung hängt auch zusammen, ob es den zentralistischen Energiekonzerne gelingen wird, auch die Energiewende ihren profitorientierten Machtstrukturen einzuverleiben oder ob es gelingt, eine dezentrale Energiepolitik durchzusetzen, bei der kommunale Unternehmen, Genossenschaften und andere bürgernahe Formen der Energieerzeugung primär auf Energieeinsparung und erneuerbarer Energien setzen.
Der Wandel der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse zu Gunsten eines übermächtigen Gewichts von transnationalen Konzernen, zu finanzmarktgetriebenen global agierenden Banken und Investmentgesellschaften hat zu international vernetzten Wirtschafts- und Finanzkrisen geführt.
Die Privatisierung öffentlicher Unternehmen gehört auch zu den Antworten der etablierten Politik auf die Schuldenkrise in den südeuropäischen Staaten, wodurch die soziale Spaltung vertieft, Arbeitslosigkeit, Armut und Elend verstärkt werden.
Zu Gunsten des großen Agrobusiness und finanzkapitalistischer Spekulanten wird in vielen Ländern des globalen Südens mit Waffengewalt Grund und Boden enteignet, der traditionell kleinbäuerlich oder gemeinschaftlich genutzt wurde, mit verheerenden Folgen für Bevölkerung und Umwelt..
Sogar die innere Sicherheit und der Krieg sind zum Feld der Privatisierung geworden. Private Firmen übernehmen zunehmend Aufgaben der Polizei, bieten (wie im Mittelalter) beliebigen Konfliktparteien militärische Dienste bis hin zum Einsatz ganzer Privatarmeen an.
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Das vollständige Stellungnahme finden Sie hier (pdf).