Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zur Lage der Integration in Deutschland, Juni 2014
Migranten sind im Durchschnitt jünger als Einheimische, sie gleichen sich aber in vielen Lebensbereichen den Einheimischen an: Auch sie werden im Laufe der Zeit als Gruppe älter, bekommen weniger Kinder, heiraten seltener und trennen sich häufiger. Sie leben vor allem in den Stadtstaaten und wirtschaftlich starken Regionen.
Die Integrationswerte haben sich für alle in dieser Studie betrachteten Migrantengruppen im Vergleich zu den Daten der Vorgängerstudie leicht verbessert. Die Reihenfolge der Bewertung hat sich jedoch nicht verändert.
In Deutschland geborene Kinder von Migranten schneiden in allen Gruppen besser ab als ihre direkt zugewanderten Eltern. Wenn letztere jedoch hochqualifiziert sind, schaffen es ihre in Deutschland geborenen Kinder häufig nicht, das Bildungsniveau zu halten. In Migrantengruppen, die mehrheitlich mit sehr geringen Qualifikationen ins Land gekommen sind, holen die in Deutschland geborenen Kinder zwar auf, sie bleiben mit ihrem Bildungsstand aber deutlich hinter dem Durchschnitt gleichaltriger einheimischer Deutscher zurück.
Aussiedler bleiben die größte Herkunftsgruppe. Sie ähneln in ihrer demografischen Struktur, aber auch in den Integrationswerten stark den Einheimischen. Im Vergleich zu diesen üben sie aber seltener besser gestellte Berufe aus.
Als zweitgrößte Migrantengruppe zeigt die türkische weiterhin die stärksten Integrationsprobleme. Dies ist im Wesentlichen auf das niedrige Bildungsniveau zurückzuführen, welches diese Zuwanderer aus ihrer Heimat mitgebracht haben. Jeder fünfte aus der Türkei zugewanderte Mann und jede dritte Frau hat weder einen Schulnoch einen Bildungsabschluss. Deshalb sind türkische Migranten auch im Erwerbsleben oft weniger erfolgreich. Im deutschen Schulsystem gelingt es den Kindern von türkischen Zuwanderern vergleichsweise selten, die Bildungsdefizite ihrer Eltern aufzuholen. Türkische Mädchen gehören im Bildungsbereich jedoch zu den Integrationsgewinnern.
Ähnliche Schwierigkeiten wie die türkischen Zuwanderer haben auch Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien.
Die mit Abstand besten Integrationswerte weist die Gruppe der Migranten aus jenen Ländern der EU auf, die nicht Heimat der Gastarbeiter waren. Insbesondere die Neuzuwanderer der jüngeren Vergangenheit sind oft hochqualifiziert – und zwar auch jene aus den östlichen EU-Staaten.
In den Migrantengruppen aus dem Fernen und Nahen Osten sowie aus Afrika finden sich überproportional viele hoch-, aber auch gering qualifizierte Migranten. Für diese Menschen hat jedoch selbst ein guter Berufsabschluss nur selten eine adäquate Beschäftigungsmöglichkeit in Deutschland zur Folge.
Kinder aus der fernöstlichen Herkunftsgruppe zeichnen sich, unabhängig vom Bildungsstand ihrer Eltern, durch überproportional gute Bildungsergebnisse aus.
Zuwanderer aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien und den Nahen Osten bekommen mehr Kinder als Einheimische. Im Jahr 2012 hatten Frauen mit einem Migrationshintergrund aus diesen Ländern durchschnittlich zwischen 1,6 und 1,8 Kinder. Das ist jedoch noch immer deutlich weniger als für eine stabile Bevölkerung nötig wäre.
Regional betrachtet fällt die Integration dort leichter, wo der Arbeitsmarkt gute Beschäftigungs und Einkommensmöglichkeiten bietet. Zudem ziehen wirtschaftsstarke Regionen tendenziell gut qualifizierte Migranten an, denen die Integration ohnehin leichter fällt.
WO SICH FORTSCHRITTE BEI DER INTEGRATION ZEIGEN
Im Vergleich zur Vorgängerstudie vor fünf Jahren hat sich die Integration von Migranten leicht verbessert. Dies liegt vor allem an dem konjunkturellen Aufschwung und der damit verbundenen Nachfrage nach Arbeitskräften, von denen Einheimische wie Migranten profitiert haben.
Der wachsende Bedarf an Fachkräften bringt zunehmend gut qualifizierte Migranten auf den deutschen Arbeitsmarkt. Diese stammen überwiegend aus anderen EU-Ländern, aber vermehrt auch aus Drittstaaten. Auch die Bildungswerte der hierzulande geborenen Kinder von Migranten verbessern sich, wenn auch langsam und je nach Migrantengruppe sehr unterschiedlich.
Bundesregierung und EU haben die Zuzugsbedingungen für hochqualifizierte Ausländer deutlich erleichtert.
Vor allem Unternehmen haben die Notwendigkeit der Zuwanderung zum Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit erkannt und werben offen für ausländische Fachkräfte. Nicht zuletzt dadurch ist auch die gesellschaftliche Akzeptanz für Zuwanderung gewachsen.
WAS NOCH ZU TUN IST
Dass es notwendig ist, die in Deutschland lebenden Migranten besser zu integrieren, ist heute nicht mehr umstritten. Auch die wichtigsten Instrumente dafür, wie Bildung, Anerkennung von Berufsabschlüssen und Erleichterung der Einbürgerung, sind bekannt. Dennoch scheitern diese Erkenntnisse noch immer an der Umsetzung. Daher folgen hier – auf den Punkt gebracht – noch einmal die wichtigsten Schritte für eine gelungene Integration:
Um jene kümmern, die besonderen Bedarf haben
Wer in den 1960er Jahren als junger Arbeitnehmer nach Deutschland gekommen ist, hat mittlerweile das Rentenalter erreicht und wird bald die Pflegeund Sozialdienste vor große Herausforderungen stellen. Alternde Migranten mit mangelhaften Sprachkenntnissen und eigenen kulturellen Gepflogenheiten haben einen besonderen Unterstützungsbedarf.
Obwohl die Zuwanderung der letzten Jahre stärker denn je durch hochqualifizierte Migranten geprägt ist, kommen noch immer Menschen ohne oder mit einem niedrigen Bildungsabschluss nach Deutschland. Ihnen muss frühzeitig Unterstützung angeboten werden, um den Weg in die deutsche Gesellschaft und einen sozialen Aufstieg zu erleichtern.
Durch Bildung früh die richtigen Weichen stellen
Auch wenn Bildung nicht alle Integrationshürden abbauen kann: Ohne Bildung ist eine gleichwertige Teilhabe an der Gesellschaft kaum möglich. Daher müssen sich schon die frühkindlichen Bildungsangebote auf die Förderung von Kindern aus Familien mit bildungsfernen, sozial schwachen und zugewanderten Elternteilen konzentrieren. Dazu sind mehr und besser ausgebildete Erzieher und Lehrkräfte notwendig, die im Umgang mit Kindern unterschiedlicher Herkunft geschult sind.
Die Erfahrung zeigt, dass erfolgreiche Bildungsarbeit im Elternhaus beginnt. Gerade Eltern aus bildungsfernen Haushalten haben oft Schwierigkeiten, ihre Kinder beim Lernen zu unterstützen, und sollten stärker eingebunden werden. Zudem müssen über Kinder und Jungendliche diejenigen Eltern angesprochen werden, die sich bei Integrationsschwierigkeiten eher in den privaten Bereich zurückziehen und dort nur schwer von klassischen Unterstützungsangeboten erreicht werden. Kindergärten und Schulen sollten daher verstärkt zu Familienbildungsstätten ausgebaut werden.
Das durch den Föderalismus stark zerklüftete deutsche Bildungssystem ist schon für Einheimische schwer zu durchschauen. Ein bundesweit einheitlicheres Bildungssystem würde es auch Migranten erleichtern, den größten Nutzen daraus zu ziehen.
Arbeitsmarkt weiter öffnen
Das neue Anerkennungsgesetz, das im Ausland erworbene Abschlüsse auch hierzulande würdigt, ist zwar ein wichtiger Baustein, um Migranten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Doch die Umsetzung auf Landesebene läuft noch immer schleppend. Das zeigt das Beispiel vieler hochqualifizierter Migranten, die unter ihren Möglichkeiten beschäftigt sind.
Die „Blaue Karte EU“ ist ein wichtiger Schritt dahin, auch gut Qualifizierten aus Drittstaaten die Zuwanderung zu erleichtern. Doch die Hürden sind noch immer relativ hoch. Entsprechend gering ist bisher die Nachfrage nach der Blauen Karte. Um sie zu erhöhen, wären Anwerbeplattformen in den Herkunftsländern notwendig, wie sie etwa das Einwanderungsland Kanada betreibt.
Hochqualifizierte Migranten sind oft auch hochmobil. Um sie zu halten, muss sich Deutschland international stärker als modernes Einwanderungsland positionieren und seine „Willkommenskultur“ zu einer Selbstverständlichkeit machen.
Kohärente Politik betreiben
Das neue Staatsbürgerschaftsrecht lässt eine Mehrstaatlichkeit nur für bestimmte Länder zu und sendet ein falsches Signal an potenzielle Zuwanderer. Jeder, der die Grundvoraussetzungen für den Erhalt einer deutschen Staatsbürgerschaft erfüllt, sollte diese auch ohne Verlust seines ursprünglichen Passes erhalten können. Die vielen EU-Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft zeigen deutlich, dass dies nicht zu Loyalitätskonflikten führen muss.
In Zeiten des demografischen Wandels sind Migration und Integration von grundlegender Bedeutung für Deutschland. Eine Umlegung des Politikbereichs Integration aus dem von Sicherheitsinteressen geleiteten Innenministerium in das Arbeitsoder Wirtschaftsministerium würde innen- wie außenpoltisch die richtigen Akzente setzen.
Ohne Datenerhebung keine Erkenntnisse und ohne Zielsetzungen keine Ergebnisse. Zwar gibt es zahlreiche Studien, die sich mit Fragen der Integration beschäftigen, aber insgesamt mangelt es an einer ergebnisorientierten Auswertung. Diese Analyse wäre notwendig, um Schwachstellen, aber auch Erfolge bei der Integration aufzudecken und gezielter als bisher die Zuwanderungsund Integrationspolitik zu verbessern.
Die vollständige Studie finden Sie hier.