Unicef-Bericht über die soziale Benachteiligung von Flüchtlingskindern in Deutschland, 9.9.2014
Die zentralen Aussagen
Die Betrachtung der Lebensumstände der Flüchtlingskinder lässt zwei zentrale Aussagen zu, die in den folgenden Kapiteln erläutert werden:
1. Nichtbeachtung des Kindeswohls
Die Interessen der Flüchtlingskinder in Deutschland werden von Politik, (Zivil-)Gesellschaft und Verwaltungen oft nicht beachtet. Sei es im Asylverfahren, bei der Unterbringung, bei der Schulbildung oder im Kontext einer möglichen aufenthalts- oder sozialrechtlichen Beratung: Die Interessen der Kinder, das Kindeswohl spielen eine nachrangige Rolle. Die Kinder werden nur selten als eigenständige Träger von Rechten wahrgenommen. Dies ist zum einen häufig mit einer Missachtung der Rechte dieser Kinder verbunden. Zum anderen wird die fehlende Wahrnehmung der Kinder durch Behörden, Politik und Gesellschaft der oftmals wichtigen Rolle, die Kinder in ihren Familien übernehmen, nicht gerecht.
2. Benachteiligung gegenüber anderen Kindern
Die soziale Benachteiligung von Flüchtlingen in Deutschland wirkt sich besonders stark auf die Kinder aus: Die Unterbringung in isolierenden Gemeinschaftsunterkünften, der eingeschränkte Zugang zu Freizeitmöglichkeiten, die Angst vor Rückführungen, die Nachteile bei der Schulwahl und der eingeschränkte Zugang zur Krankenversorgung belasten die Entwicklung dieser Kinder stark und prägen ihren Alltag. Diese Zurücksetzung zieht sich aufgrund der fehlenden grundlegenden Beachtung des Kindeswohls durch alle Lebensbereiche der Kinder. Als Flüchtlingskind in Deutschland aufzuwachsen bedeutet im Gegensatz zu anderen hier lebenden Kindern und Jugendlichen eine deutliche Benachteiligung. Der vorliegende Bericht soll dazu beitragen in den genannten und künftig noch anstehenden Debatten den Fokus stärker auf die Perspektiven der Flüchtlingskinder zu legen. Deshalb orientiert er sich an den Lebensumständen der Kinder und beleuchtet vor allem die Probleme, die sich in der Analyse als besonders schwerwiegend herausgestellt haben. Damit stellt er sowohl Forderungen für eine Änderung der Politik gegenüber Flüchtlingskindern als auch konkrete Lösungsmöglichkeiten „vor Ort“ dar. Der Bericht kann und soll nicht überdecken, dass die Lebensrealität von jungen Flüchtlingen in Deutschland differenziert ist und es vorbildhafte best-practise Beispiele gibt, die zur Nachahmung anregen. Vielmehr sollen die Ergebnisse der Studie dazu ermutigen die Lebenslagen von Flüchtlingskindern zu verbessern. Der Einsatz von Flüchtlingskindern selbst, für ihre Rechte und für menschenwürdige Lebensumstände zu kämpfen und zu streiten, hat bereits zu einigen Erfolgen geführt. So haben die Initiativen der Flüchtlingsselbstorganisation (bspw. „Jugendliche ohne Grenzen“) im Bereich Bleiberecht und beim Bildungszugang zu Änderungen beigetragen. Diese Erfolge sind wichtig, da sie zeigen, dass konkrete Verbesserungen für die Flüchtlingskinder gelingen können. Trotz dieser Erfolge bleibt viel zu tun. Der vorliegende Bericht zeigt Handlungsfelder auf, in denen dringend rechtliche und politische Änderungen vonnöten sind. Der erste Schritt zu den anvisierten Verbesserungen ist es anzuerkennen, dass auch Flüchtlingskinder, die mit ihren Familien nach Deutschland kommen besonderen Schutz und Unterstützung und eine Behandlung als Kinder benötigen.
Den vollständigen Bericht finden Sie hier (pdf).