Dokumente zum Zeitgeschehen

»Die Prohibition schadet der Gesellschaft«

Resolution deutscher Rechtswissenschaftler zur Revision der Drogenpolitik, April 2014

Die Unterzeichnenden wollen den Gesetzgeber auf die unbeabsichtigten schädlichen Nebenwirkungen und Folgen der Kriminalisierung bestimmter Drogen aufmerksam machen. Sie wollen das Parlament anregen, bezüglich dieser Thematik seinem verfassungsrechtlichen Auftrag im Allgemeinen und den wissenschaftlich begründeten Prinzipien von Strafgesetzgebung und Kriminalpolitik im Besonderen durch die Einrichtung einer Enquête-Kommission Rechnung zu tragen. Sowohl aus strafrechtswissenschaftlicher Sicht als auch aufgrund empirischer Forschungsergebnisse besteht die dringende Notwendigkeit, die Geeignetheit, Erforderlichkeit und normative Angemessenheit des Betäubungsmittelstrafrechts zu überprüfen und gegebenenfalls Vorschläge zu Gesetzesänderungen aus solcher Evaluation abzuleiten.

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Thesen zur Begründung

Die strafrechtliche Drogenprohibition ist gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch.

1. Mit der Drogenprohibition gibt der Staat seine Kontrolle über Verfügbarkeit und Reinheit von Drogen auf.

Nicht die Wirkung der Drogen ist das Problem, sondern die repressive Drogenpolitik schafft Probleme. Die überwiegende Zahl der Drogenkonsumen- ten lebt ein normales Leben. Selbst abhängige Konsumenten bleiben oftmals sozial integriert. Menschen mit problematischem Drogenkonsum brau- chen Hilfe. Die Strafverfolgung hat für sie und alle anderen nur negative Folgen.

2. Der Zweck der Prohibition wird systematisch verfehlt.

Prohibition soll den schädlichen Konsum bestimmter Drogen verhindern. Tatsächlich kann sie dieses Ziel nicht erreichen. Das zeigen alle wissenschaftlich relevanten Untersuchungen. Sogar die Evaluation des 10-Jahres-Programms der UNO zur Drogenbekämpfung kommt im Jahr 2008 zu diesem Schluss. Prohibition schreckt zwar einige Menschen ab, verhindert aber Aufklärung und vergrößert gleichzeitig dramatisch die gesundheitlichen und sozialen Schäden für diejenigen, die nicht abstinent leben wollen. Selbst in totalitären Regimen und Strafanstalten kann Drogenkonsum nicht verhindert werden.

3. Die Prohibition ist schädlich für die Gesellschaft.

Sie fördert die organisierte Kriminalität und den Schwarzmarkt. Sie schränkt Bürgerrechte ein und korrumpiert den Rechtsstaat. Durch massive Machtanballung bei Kartellen und Mafia nimmt die Gefahr eines Scheiterns der Zivilgesellschaft zu. Stimuliert durch gigantische Profite aus dem Drogenschwarzmarkt entstehen veritable Kriege zwischen Drogenkartellen und in Reaktion darauf sowohl eine Quasi-Militarisierung der Polizei als auch quasi-polizeiliche Funktionen des Militärs. Auch dadurch erodieren staatliche Grundstrukturen. Sie hat desaströse Auswirkungen auf Anbau- und Transitländer. Sie behindert eine angemessene medizinische Versorgung.

4. Die Prohibition ist unverhältnismäßig kostspielig

Die Bürger werden Opfer der Beschaffungskriminalität. Jedes Jahr werden Milliardenbeträge für die Strafverfolgung aufgewendet, welche sinnvoller für Prävention und Gesundheitsfürsorge eingesetzt werden könnten. Der Staat verzichtet auf Steuereinnahmen, die er bei einem legalen Angebot hätte.

5. Die Prohibition ist schädlich für die Konsumenten

Konsumenten werden diskriminiert, strafrechtlich verfolgt und in kriminelle Karrieren getrieben. Weil es sich um „opferlose“ Kontrolldelikte handelt, welche lediglich proaktiv – und damit Unterschichtangehörige und Migranten benachteiligend – verfolgt werden. Es gibt keinen Verbraucher- und Jugendschutz. Riskante Konsumformen werden gefördert und die Konsumenten werden gefährlichen Krankheiten ausgesetzt (z.B. AIDS, Hepatitis C). Normales jugendliches Experimentierverhalten wird kriminalisiert und das Erlernen von Drogenmündigkeit erschwert. Junge Menschen werden dauerhaft stigmatisiert und ihre Lebenschancen werden gemindert.

Die vollständige Resolution inklusive der Unterzeichnenden finden Sie hier.