Dokumente zum Zeitgeschehen

»Die These vom abgeschotteten NSU-Trio verschleiert das Ausmaß militanter Nazistrukturen«

Presseerklärung der Nebenklage im NSU-Prozess, 1.8.2017

Die Bundesanwaltschaft hat mit ihrem Plädoyer versucht, die Deutungshoheit über den NSU-Komplex zurückzuerlangen. Sie hat sich aber nicht darauf beschränkt, ihre lange überholte „Trio“-These auszubuchstabieren, sondern gleichzeitig all diejenigen diffamiert, die ihre Sichtweise nicht teilen, wie unter anderem Obleute der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, Journalisten und Nebenklägervertreter. Wer wie diese meint, dass der NSU mehr war als ein abgeschottetes „Trio“ wurde von Dr. Diemer als „Irrlicht“ bezeichnet und entsprechende Äußerungen als „Fliegengesumme“.

Das verzweifelte Festhalten der Bundesanwaltschaft an der These vom isolierten „Trio“ trotz einer Vielzahl entgegen stehender Hinweise und offener Fragen lässt sich im Wesentlichen durch zwei zentrale Motive erklären: Je größer das wissende Netzwerk von Unterstützern war, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Behörden über ihre zahlreichen V-Leute um den NSU herum Kenntnis von dessen Existenz und Taten hatten. Zugleich verschleiert die These vom abgeschotteten Trio das Ausmaß militanter Nazistrukturen in Deutschland. Damit wiederholen die Sicherheitsbehörden ihr Verhaltensmuster, das erst die dreizehnjährige Existenz des NSU mit ermöglichte.

Wir rufen die Öffentlichkeit dazu auf, die Plädoyers der Nebenklage zahlreich zu besuchen und sich ein eigenes Bild zu machen. Dort werden im Gegensatz zur Bundesanwaltschaft die ideologische und strukturelle Einbettung des NSU in eine organisierte rechte Szene, das staatliche Mitverschulden, die Auswirkungen der Taten auf die Betroffenen und die über Jahre hinweg betriebenen strukturell rassistischen Ermittlungen eine Rolle spielen. In den Plädoyers der Nebenklage werden auch erstmals sechs Familien von durch den NSU Ermordeten, von denen im Prozess niemand als Zeuge gehört wurde, die Möglichkeit haben, selbst oder über ihr Anwälte, ihre Sichtweise darzulegen.

Die vollständige Presseerklärung finden Sie hier.