Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Ehegattensplitting, 6.6.2013
Leitsatz zum Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Mai 2013
(2 BvR 909/06 - 2 BvR 1981/06 - 2 BvR 288/07)
Die Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern in den Vorschriften der §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG zum Ehegattensplitting ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
[...]
Im Namen des Volkes
[...]
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsident Voßkuhle,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt,
Landau,
Huber,
Hermanns,
Müller,
Kessal-Wulf
am 7. Mai 2013 beschlossen:
[...]
3. § 26 und § 26b Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung vom 16. April 1997 (Bundesgesetzblatt I Seite 821), § 32a Absatz 5 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (Bundesgesetzblatt I Seite 1433) sowie die nachfolgenden Fassungen der §§ 26, 26b, § 32a Absatz 5 Einkommensteuergesetz sind seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften vom 16. Februar 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 266) mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie eingetragenen Lebenspartnern anders als Ehegatten nicht die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und die damit verbundene Anwendung des Splitting-Verfahrens eröffnen.
4. §§ 26, 26b, § 32a Absatz 5 Einkommensteuergesetz bleiben bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung anwendbar mit der Maßgabe, dass auch eingetragene Lebenspartner, deren Veranlagungen noch nicht bestandskräftig durchgeführt sind, mit Wirkung ab dem 1. August 2001 unter den für Ehegatten geltenden Voraussetzungen eine Zusammenveranlagung und die Anwendung des Splittingverfahrens beanspruchen können.
[...]
Gründe
C II.
[...]
(89) 3. Ausgehend von diesen Grundsätzen unterliegt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der durch die §§ 26, 26b und 32a Abs. 5 EStG bewirkten Begünstigung von Ehegatten unter Ausschluss von Lebenspartnern - wie das Bundesverfassungsgericht im Bereich des Steuerrechts schon zur Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartner bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer (vgl. BVerfGE 126, 400 <416 ff.>) sowie bei der Grunderwerbsteuer (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 16/11 -, juris, Rn. 42) entschieden hat - strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen. Die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft bei der Wahl der Zusammenveranlagung und des damit verbundenen Splittingverfahrens ist danach weder durch das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG (a)) noch durch andere, hinreichend gewichtige Sachgründe (b)) gerechtfertigt.
(90) a) Das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG allein vermag die Ungleichbehandlung der familienrechtlichen Institute der Ehe und der Lebenspartnerschaft nicht zu rechtfertigen, da beide in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasste Lebensformen darstellen. Sie weisen in ihren Grundstrukturen bereits seit Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 nur wenige Unterschiede auf. Insbesondere der Grad der rechtlichen Bindung und die gegenseitigen Einstandspflichten sind schon durch das Lebenspartnerschaftsgesetz des Jahres 2001 in Ehe und Lebenspartnerschaft weitgehend angeglichen. So sind die Lebenspartner gemäß § 2 LPartG einander zu Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet und tragen füreinander Verantwortung. Die Begründung und Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie die persönlichen und vermögensrechtlichen Rechtsbeziehungen der Lebenspartner sind bereits seit 2001 in naher Anlehnung an die Ehe geregelt (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris, Rn. 69). Mit dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 wurde das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft noch näher an das Eherecht angeglichen und auf die Normen zur Ehe in weitem Umfang (hinsichtlich Güterrecht, Unterhaltsrecht, Scheidungsrecht, Stiefkindadoption, Versorgungsausgleich, Hinterbliebenenversorgung) Bezug genommen (vgl. BVerfGE 124, 199 <206 ff.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris, Rn. 70).
(91) Der Gesetzgeber hat die Lebenspartnerschaft somit von Anfang an in einer der Ehe vergleichbaren Weise als umfassende institutionalisierte Verantwortungsgemeinschaft verbindlich gefasst und bestehende Unterschiede kontinuierlich abgebaut. Daran muss er sich festhalten lassen. Wie die Ehe unterscheidet sich die Lebenspartnerschaft sowohl von ungebundenen Partnerbeziehungen als auch von den Rechtsbeziehungen zwischen Verwandten (vgl. ferner zur Unterscheidung zwischen Ehe und bloßen Haushaltsgemeinschaften Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 192 Rn. 557). Sie ist darüber hinaus geeignet, Voraussetzung für die Begründung von Elternschaft zu sein (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 -, juris, Rn. 50 ff.) und taugliche Grundlage einer Familie (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 -, juris, Rn. 60 ff.).
(92) b) Hinreichend gewichtige Sachgründe für die Besserstellung von Ehen gegenüber Lebenspartnern durch das Splittingverfahren fehlen. Sie lassen sich weder dem Normzweck der §§ 26, 26b und 32a Abs. 5 EStG entnehmen (aa) und bb)) noch aus der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers im Steuerrecht herleiten (cc)).
(93) aa) §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG haben die Funktion, Ehen, in denen die Ehepartner sich für die Möglichkeit der Zusammenveranlagung entschieden haben, unter sonst gleichen Umständen unabhängig von der Verteilung des Einkommens zwischen den Ehegatten gleich zu besteuern. Dies folgt schon aus dem insoweit nicht differenzierenden Wortlaut der §§ 26b und 32a EStG und kommt darüber hinaus auch in der Systematik des Splittingverfahrens zum Ausdruck. § 32a Abs. 5 EStG fingiert den hälftigen Beitrag beider Ehegatten zum gemeinsamen Einkommen und führt somit bei Ehepaaren mit gleichem Gesamteinkommen zur immer gleichen steuerlichen Belastung, ohne Rücksicht darauf, welcher Ehegatte tatsächlich in welchem Umfang erwerbswirtschaftlich tätig gewesen ist (vgl. etwa Lambrecht, in: Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 32a Rn. 12; Schöberle, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Bd. 15, § 32a Rn. C 3 <Juni 2008>). Diese Gleichbehandlung entspricht auch der Intention des historischen Gesetzgebers, der zur Vermeidung der durch die bloße Zusammenveranlagung entstandenen Benachteiligung von Ehepartnern (BVerfGE 6, 55) bewusst nicht ausschließlich die getrennte Veranlagung bestimmt, sondern das Splittingverfahren eingeführt hat. In den Gesetzesmaterialien wird als wesentlicher Vorteil des neuen Tarifs hervorgehoben, dass es danach für das steuerliche Ergebnis unerheblich sei, ob die Frau oder nur der Mann oder beide Einkünfte bezögen (vgl. BTDrucks 3/260, S. 34; zu BTDrucks 3/448, S. 5; stenographischer Bericht der 17. Sitzung des 3. Deutschen Bundestages vom 13. März 1958, S. 771). Die Fälle, in denen die Ehefrau keine oder keine nennenswerten Einkünfte habe, würden dem Fall, dass beide verdienen, gleichgestellt. Bei unterschiedlichen Einkommen von Mann und Frau ergebe sich stets ein Progressionsvorteil (vgl. BTDrucks 3/260, S. 34).
(94) Das Splittingverfahren nimmt den die zivilrechtliche Ausgestaltung der Ehe bestimmenden Grundgedanken der Ehe als Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs auf (vgl. dazu Seiler, in: Kirchhof, EStG, 9. Aufl. 2010, § 26 Rn. 2). Die wechselseitige Verpflichtungsbefugnis bei Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs (§ 1357 BGB), die Eigentumsvermutung zugunsten der Gläubiger des anderen Partners (§ 1362 BGB), die eingeschränkte Verfügungsberechtigung über eigenes Vermögen (§§ 1365 bis 1369 BGB) sowie die Regelungen über den Zugewinnausgleich (§§ 1371 bis 1390 BGB) und den - später hinzugetretenen - Versorgungsausgleich (§ 1587 BGB i.V.m. den Vorschriften des Versorgungsausgleichsgesetzes - VersAusglG -) lassen den Grundsatz erkennen, dass das während der Ehe Erworbene gemeinschaftlich erwirtschaftet ist. In Übereinstimmung mit diesem Grundgedanken des Familienrechts geht das Splittingverfahren davon aus, dass zusammenlebende Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat (vgl. BVerfGE 61, 319 <345 f.>). In den Gesetzesmaterialien wird das Splitting als „steuerpolitische Konsequenz“ und „logische steuerrechtliche Folgerung“ des zuvor eingeführten Regelgüterstandes der Zugewinngemeinschaft bezeichnet (vgl. stenographisches Protokoll der gemeinsamen Sitzung des Haushaltsausschusses mit den Ausschüssen für Finanz- und Steuerfragen, für Wirtschaftspolitik und für Mittelstandsfragen vom 13. Februar 1958, S. 20; stenographischer Bericht der 32. Sitzung des 3. Deutschen Bundestages vom 19. Juni 1958, S. 1783; s. auch BTDrucks 7/1470, S. 222: Splitting als „Reflex“ der Zugewinngemeinschaft). Die Zusammenveranlagung von Ehegatten und die Anwendung des Splittingverfahrens setzen nach § 26 EStG allerdings nicht voraus, dass die Ehepartner im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, sondern finden auch bei Gütertrennung statt, wenn die Ehepartner eine entsprechende Wahl treffen. Die Regelung geht demnach davon aus, dass die eheliche Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs, an die das Einkommensteuerrecht anknüpft, nicht nur im Fall der Zugewinngemeinschaft besteht (vgl. ferner Kurzprotokoll der 10. Sitzung des Finanzausschusses vom 8. Mai 1958, S. 6), sondern auch bei Vereinbarung von Gütertrennung das Splittingverfahren rechtfertigt (vgl. BFH, Beschluss vom 17. Oktober 2012 - III B 68/12 -, juris, Rn. 27). Der Gesetzgeber hat das Splittingverfahren zudem unabhängig von Versorgungsausgleichsregelungen, wie sie bei Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 galten, als eine angemessene Besteuerungsform für die Ehe angesehen. Der eherechtliche Versorgungsausgleich ist erst mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG vom 14. Juni 1976 <BGBl I S. 1421>) zum 1. Juli 1977 und damit erheblich später als das Ehegattensplitting eingeführt worden.
(95) Der Gesetzeszweck der von der Einkommensverteilung unabhängigen steuerlichen Gleichbehandlung von Ehen als Gemeinschaften des Erwerbs und Verbrauchs kann ihre Privilegierung im Verhältnis zu eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht rechtfertigen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz gestaltet die eingetragene Lebenspartnerschaft als eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs aus, die in ihren für die steuerrechtliche Anknüpfung wesentlichen Grundzügen mit der Ehe vergleichbar ist. Bereits seit Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 sind die eine solche Gemeinschaft mitkonstituierenden Elemente der wechselseitigen Verpflichtungsbefugnis bei Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs, der Eigentumsvermutung zugunsten der Gläubiger des anderen Partners sowie der eingeschränkten Verfügungsberechtigung über eigenes Vermögen in beiden Instituten identisch geregelt (§ 8 LPartG i.d.F. des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften <Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG> vom 16. Februar 2001 <BGBl I S. 266>, im Folgenden: a.F.). Von Anfang an sah § 6 LPartG a.F. für eingetragene Lebenspartner als vermögensrechtliches Äquivalent zum ehelichen Regelgüterstand die sogenannte Ausgleichsgemeinschaft vor, welche die Partner zwar ausdrücklich vereinbaren mussten, wenn sie nicht einen Lebenspartnerschaftsvertrag abschließen wollten, für die aber sodann die bürgerlichrechtlichen Vorschriften über den Zugewinn (§§ 1371 bis 1390 BGB) entsprechend galten. Zum 1. Januar 2005 wurden explizit die Zugewinngemeinschaft eingeführt (§ 6 LPartG) und der Versorgungsausgleich in das Lebenspartnerschaftsgesetz aufgenommen (§ 20 LPartG i.V.m. dem VersAusglG). Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Fehlen des letzteren durch die bereits bestehende Verpflichtung zum nachpartnerschaftlichen Unterhalt (§ 16 LPartG a.F.) wirtschaftlich jedenfalls teilkompensiert. Damit war die Lebenspartnerschaft vom Gesetzgeber seit ihrer Einführung in einer Weise konzipiert, die im Hinblick auf die für die einkommensteuerliche Anknüpfung maßgebenden Parameter eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigte. Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht die gesetzgeberische Konzeption der Lebenspartnerschaft im Verhältnis zur Ehe in Bezug auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer (BVerfGE 126, 400), die Grunderwerbsteuer (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 16/11 -, juris) und den besoldungsrechtlichen Familienzuschlag (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris) bewertet. Gründe, von dieser Bewertung abzuweichen, sind nicht ersichtlich.
(96) bb) Auch familienpolitische Intentionen vermögen die Ungleichbehandlung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften bezüglich des Splittingverfahrens nicht zu rechtfertigen.
(97) (1) Die §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG knüpfen nicht an einen kindbedingten Bedarf von Ehepaaren an. Nach dem Wortlaut der Vorschriften hängt die Gewährung des Splittingvorteils allein von der Existenz einer Ehe ab, in der die Partner nicht dauernd getrennt leben. Unbeachtlich ist demgegenüber das Vorhandensein von Kindern (vgl. BVerfGE 99, 216 <240>) sowie die Möglichkeit, dass während der Ehe gemeinsame Kinder der Ehepartner geboren werden. Dem entspricht auch die Systematik des Einkommensteuerrechts. Für den zusätzlichen Bedarf von Kindern waren sowohl bei Einführung des Splittings im Jahr 1958 als auch bei Einführung der Lebenspartnerschaft 2001 gesonderte steuerrechtliche Berücksichtigungsmöglichkeiten im Einkommensteuergesetz vorgesehen (vgl. etwa §§ 32, 33a EStG i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 1958 <BGBl I S. 672> sowie i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung <Steuersenkungsgesetz - StSenkG> vom 23. Oktober 2000 <BGBl I S. 1433>).
(98) (2) Allerdings bewirkt die mit dem Splittingverfahren bezweckte Gleichbehandlung (s. oben C.II.3.b)aa)) eine Erweiterung des Spielraums der Ehepartner bei der Ausgestaltung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Lebensführung und der Aufgabenverteilung innerhalb der Ehe. Im Hinblick darauf ist das Splittingverfahren bei seiner Einführung auch als „bedeutende Förderung des Familiengedankens“ bezeichnet (stenographischer Bericht der 17. Sitzung des 3. Deutschen Bundestages vom 13. März 1958, S. 771; vgl. auch stenographisches Protokoll der gemeinsamen Sitzung des Haushaltsausschusses mit den Ausschüssen für Finanz- und Steuerfragen, für Wirtschaftspolitik und für Mittelstandsfragen vom 13. Februar 1958, S. 20) und als eine „besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“ (BTDrucks 3/260, S. 34; zu BTDrucks 3/448, S. 6) gesehen worden. Entsprechend ist das Ehegattensplitting bei Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft als Regelung begriffen worden, die „vor allem für Familien gedacht (ist), in denen ein Ehepartner wegen Familienarbeit, das heißt wegen Kindererziehung oder Pflege, nicht oder nur teilweise erwerbstätig ist“ (stenographischer Bericht der 757. Sitzung des Bundesrates vom 1. Dezember 2000, S. 547). Es ist - allerdings zu Unrecht (s. oben unter C.II.3.b)bb)(1)) - nicht den Regelungen zugerechnet worden, die für Ehepaare ohne eigene Kinder gelten; nur solche sollten Vorbild für die Bestimmungen über die Lebenspartnerschaft sein (vgl. stenographischer Bericht der 115. Sitzung des 14. Deutschen Bundestages vom 7. Juli 2000, S. 10971).
(99) Auch der Gedanke der Familienförderung rechtfertigt indes eine Schlechterstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften im Vergleich zu Ehen nicht. Das Lebenspartnerschaftsgesetz erkennt ebenso wie das Eherecht den Partnern Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung zu und geht von der Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit in der Lebenspartnerschaft aus. Seit 2005 verweist § 5 Satz 2 LPartG hierfür ausdrücklich auf die Regelung des § 1360 Satz 2 BGB. Zuvor ergab sich die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit in Lebenspartnerschaften aus den allgemeineren § 2, § 5 Satz 1 LPartG, die - ebenso wie § 1360 Satz 2 BGB - den Lebenspartnern Dispositionsfreiheit gewährleisten sollen (BTDrucks 14/3751, S. 37).
(100) Dass Lebenspartner die Anerkennung und Förderung dieser Freiheit durch das Splittingverfahren wie Ehepaare nutzen könnten, um einem der Partner Pflegeleistungen in der Familie zu ermöglichen, liegt auf der Hand. Nichts anderes gilt für die Erziehung von Kindern. Unterschiede zwischen der Lebenssituation von Ehepartnern und Lebenspartnern, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, sind auch insoweit nicht zu erkennen. Zum einen gibt es nicht in jeder Ehe Kinder und ist nicht jede Ehe auf Kinder ausgerichtet. Zum anderen werden zunehmend auch in Lebenspartnerschaften Kinder großgezogen; insoweit sind Ausgestaltungen der Gemeinschaftsbeziehung denkbar und nicht völlig unüblich, in denen der eine der Lebenspartner schwerpunktmäßig die Betreuung der Kinder übernimmt (vgl. BVerfGE 124, 199 <229 f.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris, Rn. 75). Auch die eingetragene Lebenspartnerschaft ermöglicht das Aufwachsen von Kindern in „behüteten Verhältnissen“ (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 -, Rn. 76, und Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 -, Rn. 80, beide juris).
(101) cc) Die Privilegierung der Ehe im Verhältnis zur eingetragenen Lebenspartnerschaft lässt sich vor diesem Hintergrund nicht mit der grundsätzlichen Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers im Steuerrecht begründen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber befugt sein kann, von der Erstreckung einer bestehenden Regelung auf eine nach deren Erlass neu entstandene Gruppe von vergleichbaren Normadressaten aufgrund einer typisierenden Betrachtungsweise abzusehen. Der Zweck der §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG stellt keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für eine Typisierung nach dem Merkmal „Ehe“ dar (vgl. BVerfGE 111, 115 <137>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. November 2012 - 1 BvR 2153/08 -, juris, Rn. 45).
(102) Da Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen (vgl. BVerfGE 111, 115 <137>; 122, 210 <232>; 126, 268 <279>), geböte der Umstand, dass eingetragene Lebenspartnerschaften und Ehen gleichermaßen als Gemeinschaften des Verbrauchs und Erwerbs konstituiert sind, bei einer typisierenden Gruppenbildung eine steuerliche Gleichbehandlung. Auch unter dem Gesichtspunkt der Förderung des Aufwachsens von Kindern kommt eine typisierende Begünstigung von Ehepaaren gegenüber eingetragenen Lebenspartnerschaften beim Splittingverfahren nicht in Betracht. Zwar entfallen nach den vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegten Berechnungen rund 62 % des gesamten Splittingvolumens auf Ehepaare mit aktuell steuerlich relevanten Kindern und erhöht sich dieser Anteil unter Mitberücksichtigung heute erwachsener Kinder auf circa 91 %.
(103) Soweit hieraus der Schluss gezogen wird, dass die steuerlichen Vorteile der §§ 26, 26b und 32a EStG ihrem Zweck entsprechend typischerweise Verheirateten mit Kindern zugutekommen, lässt sich hieraus jedoch eine steuerliche Benachteiligung von Lebens- im Verhältnis zu Ehepartnern nicht rechtfertigen. Da der Splittingvorteil umso höher ist, je größer die Einkommensunterschiede zwischen beiden Partnern ausfallen, werden auch eingetragene Lebenspartnerschaften insbesondere dann vom Splitting profitieren, wenn in ihnen Kinder aufwachsen oder aufgewachsen sind und deshalb einer der Partner nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig ist. Dass der Kinderanteil bei eingetragenen Lebenspartnerschaften weit unter dem von Ehepaaren liegt (vgl. BVerfGE 124, 199 <230>), genügt für eine typisierende Beschränkung des Splittingverfahrens auf Ehepaare nicht. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen im Rahmen der Typisierung müssen von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (vgl. BVerfGE 96, 1 <6>; 122, 210 <232 f.>; 126, 268 <279>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 4. Juli 2012 - 2 BvC 1/11, 2 BvC 2/11 -, juris, Rn. 36). Sofern statistische Abstände überhaupt für sich alleine geeignet sein sollten, die noch hinnehmbaren Härtefallgruppen zu bestimmen (krit. Kischel, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Onlinekommentar GG, Art. 3 Rn. 116 <1. Januar 2013>; Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 111), kann dies jedenfalls nicht für eingetragene Lebenspartner im Verhältnis zu Ehegatten gelten. Die Benachteiligung von Lebenspartnerschaften beim Splittingverfahren ist ohne größere Schwierigkeiten für den Gesetzgeber und die Verwaltung vermeidbar. Auszublenden, dass auch in Lebenspartnerschaften Kinder aufwachsen, liefe auf eine mittelbare Diskriminierung gerade wegen der sexuellen Orientierung der Partner hinaus. Derartige Ungleichbehandlungen können durch den Gesichtspunkt der Typisierung nicht gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>; 126, 233 <263 f.>). Andernfalls würden dem Gesetzgeber auf diesem Wege Spielräume eröffnet, die die Verfassung zum Schutz von Minderheiten gerade verbietet.
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