Friedensgutachten der vier deutschen Friedensforschungsinstitute, 12.6.2023
Krieg hat das vergangene Jahr nicht nur in Europa, sondern in vielen Weltregionen bestimmt. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist zwar ein regionaler Krieg auf dem europäischen Kontinent, seine Folgen sind dennoch weltweit zu spüren: im Anstieg der Kerninflation und in Preiserhöhungen für Energie und Lebensmittel, in Fluchtbewegungen und nicht zuletzt in den sich verschärfenden Konflikten im Indopazifik. Gleichzeitig war der Krieg in der Ukraine bei weitem nicht der einzige Gewaltkonflikt im vergangenen Jahr. Doch während in einigen der schon lange andauernden Konflikte jüngst die Gewalt abnimmt oder sogar Friedensbemühungen unternommen werden – etwa im Konflikt in Tigray oder im Jemenkrieg – ist der Krieg gegen die Ukraine durch ein sehr hohes Gewaltniveau geprägt. Russische Streitkräfte haben gezielt zivile Ziele angegriffen und ukrainische Energieinfrastrukturen zerstört. Seit dem Jahreswechsel 2022/2023 wandelt sich der Konflikt immer deutlicher zu einem Abnutzungskrieg.
Immer lauter wurden gleichzeitig die Forderungen nach sofortigen Friedensverhandlungen und einem Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine in Manifesten, offenen Briefen und auf Demonstrationen. Diese Forderungen verkennen, dass ein Einstellen der internationalen militärischen Unterstützung der Ukraine nicht zu einem nachhaltigen Frieden führen würde; und dass Friedensverhandlungen momentan noch nicht auf der politischen Agenda stehen. So bekräftigte die russische Seite im Frühjahr 2023 erneut, dass sie von ihren Kriegszielen nicht abrücken will. Solche Äußerungen im Kontext immer neuer Gräueltaten in der Ukraine lassen auf ukrainischer Seite Friedensverhandlungen obsolet erscheinen. Schon im Oktober 2022 hatte deswegen die Ukraine per Dekret Verhandlungen mit Wladimir Putin verboten und diese Position wiederholt bestätigt. Starke externe Vermittlung wird zu einem späteren Zeitpunkt dazu beitragen können, dass Russland und die Ukraine in Verhandlungen eintreten. Eine internationale Kontaktgruppe zur Vermittlung zwischen Russland und Ukraine muss langfristig vorbereitet werden.
Das vollständige Friedensgutachten finden Sie hier.