Dokumente zum Zeitgeschehen

»Die Zusammenarbeit mit Russland ist unerlässlich«

Stellungnahme des Willy-Brandt-Kreises zum Nato-Gipfel, 21.6.2016

Bereits in seiner Erklärung vom 21. Juli 2015 hat der Willy-Brandt-Kreis die Gefahr „eines heraufziehenden russisch-euroatlantischen Großkonflikts“ benannt, „der in eine Katastrophe munden kann, wenn die sich bereits drehende Spirale des Wettrustens, der militärischen Provokationen
und konfrontativen Rhetorik nicht gestoppt wird.“
Leider ist die zwischen Russland und der NATO eingetretene Eskalationsdynamik seither nicht zum Stillstand gekommen, die Rhetorik beider Seiten erinnert vielmehr und zunehmend an den Kalten Krieg. Neue Rustungsprojekte und Manövertätigkeiten verstärken diesen Trend. Der Minsk II Prozess hat den erhofften Frieden in der Ostukraine bisher nicht bewirken können, auch ist ein Ende der Sanktionen nicht in Sicht. Das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen ist in einer Weise geschädigt, dass sich die Aufrustungsspirale in beunruhigender Weise weiter dreht.

In Warschau, der Hauptstadt eines Landes, aus dessen Regierung zuletzt verstärkt antirussische Töne zu hören waren, steht am 8./9. Juli 2016 ein neuer NATO-Gipfel an; vor dem Hintergrund des anhaltenden Unfriedens in der Ostukraine und der Besetzung der Krim sollen dort neue Aufrustungsmaßnahmen beschlossen werden. Russland fühlt sich durch Neustationierungen der NATO nahe der russischen Grenze, durch die Indienstnahme einer Raketenabwehrstellung in Rumänien und die Aufnahme Montenegros in die NATO von neuem provoziert, während die baltischen Länder und Polen von der NATO noch stärkere militärische Garantien als bisher einfordern.

Der bevorstehende NATO-Gipfel findet in einem gegenuber Russland stark veränderten friedens- und sicherheitspolitischen Umfeld statt. Der Zustand der europäischen Friedensordnung ist äußerst zerbrechlich. Die europäisch-russischen Beziehungen sind ausgerechnet in einem
Moment auf dem Tiefpunkt angelangt, in dem gerade eine besonders enge Kooperation für die Zukunft des Friedens in Europa und in der Welt dringend nötig ist: Der syrische Konflikt, die Umsetzung des Wiener Atomabkommens mit dem Iran und die Aggression durch den sog.
islamischen Staat – als nur drei Beispiele – verdeutlichen jeden Tag aufs Neue, wie unerlässlich eine Zusammenarbeit mit Russland ist. Die fortschreitende Erosion zentraler Rüstungskontrollverträge wie des Vertrags über das Verbot nuklearer Mittelstreckenraketen von 1987
(INF-Vertrag) und des Vertrags zur Beschränkung konventioneller Rüstungen und Streitkräfte in Europa von 1991 (KSE-Vertrag) verschärft zwischen den USA und der Russischen Föderation den Zwang zu kooperativen Lösungen; der künftige Präsident oder die Präsidentin der
USA können das nicht ignorieren. Ein dauerhafter Bruch zwischen Russland und dem Westen wäre mit dramatischen Gefahren für den Weltfrieden verbunden; eine umfassende Friedensund Sicherheitsordnung unter Einbeziehung Russlands muss das oberste Ziel einer verantwortungsvollen
Außen- und Sicherheitspolitik sein. Dazu gilt es, den umfassenden Dialog mit Russland wiederherzustellen. Bevor durch weitere Aufrüstungsbeschlüsse irreversible Fakten geschaffen werden, müssen ernsthafte Versuche gemacht werden, im Rahmen direkter Gespräche
ohne diskriminierende Vorbedingungen, berechtigte russische Sicherheitsbedurfnisse mit den Besorgnissen der baltischen Staaten sowie Polens, Rumäniens und Bulgariens in Einklang zu bringen. Dabei ist ebenso klar, dass europäische Sicherheit unteilbar bleiben muss!
Die baltischen Staaten, Polen, Bulgarien und Rumänien mussen sich auf die ihnen gegebenen Sicherheitsgarantien im vollen Umfang verlassen können. Russland kann seinerseits hierzu durch militärische Zuruckhaltung und gutnachbarschaftliche Zusammenarbeit einen entscheidenden
Beitrag leisten.

Die vollständige Stellungnahme finden Sie hier.