Dokumente zum Zeitgeschehen

»Eine einzelne Frau in einer Spitzenposition vermag die Möglichkeiten von Frauen in der Politik nicht nachhaltig zu verbessern«

Studie von EAF Berlin, 4.11.2021

Wo stehen die Parteien heute? Unsere Studie zeigt: Sie haben ein erhebliches Stück des Weges noch vor sich. Bisher ist es ihnen nur teilweise geglückt, ihre organisationalen Strukturen wie ihre Kommunikations- und Umgangsformen nachhaltig so zu verändern, dass eine „Kultur der Gleichberechtigung“, wie es eine unserer Interviewpartnerinnen prägnant ausdrückt, selbstverständlich geworden wäre.

Der Prozess des notwendigen Kulturwandels verläuft keineswegs geradlinig, sondern wird von vielfältigen Einflüssen überlagert und verlangsamt. Wie in anderen gesellschaftlichen Organisationen auch gibt es in den Parteien unterschiedliche Interessen und Interessensgruppen, und es existieren, je nach Partei in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität, treibende Kräfte, die sogenannten Change Agents, aber auch beharrende Kräfte, die vom geschlechterpolitischen Status profitieren und wenig Interesse an dessen Veränderung zeigen.

Doch unsere Studie belegt auch: Die Sensibilität für Fragen der Geschlechterungleichheit und für die sie begünstigenden Faktoren steigt, und es wächst die Einsicht, weitere Schritte gehen zu müssen. Die Parteien agieren nicht jenseits gesellschaftlicher Entwicklungen, ganz im Gegenteil. Sie sind auf den Rückhalt bei ihren Mitgliedern und die Akzeptanz der Bevölkerung respektive der Wähler*innen angewiesen. Die Debatte um die gleichberechtigte Teilhabe in Entscheidungs- und Führungspositionen in Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und eben auch in der Politik ist aus der Öffentlichkeit nicht mehr wegzudenken. Der Erwartungs- und Handlungsdruck auf die Parteien wächst und führt ihnen nolens volens vor Au[1]gen, dass bereits im Interesse des eigenen Machterhalts gleichstellungspolitische Fortschritte notwendig sind.

(...)

Es liegt auf der Hand, dass dieser Prozess nicht allein von Frauen bewerkstelligt werden kann, sondern es dafür neuer Allianzen bedarf. Was dabei helfen kann, ist, dass die Dysfunktionalitäten der parteipolitischen Praxis, die sich zuungunsten von Frauen auswirken, stärker als gemeinsame Probleme wahrgenommen werden. Dies belegt unsere Studie nachdrücklich. Dazu gehören in erster Linie der enorme Zeitaufwand und die damit verbundenen Einschränkungen für das Privat- und Familienleben, was von Frauen wie Männern gleichermaßen thematisiert und kritisiert wird. Dazu zählen Angriffe und Beleidigungen, mit denen sich Politiker*innen konfrontiert sehen, sowie ein verhärtetes, in den sozialen Netzwerken teilweise offen sexistisches Diskussionsniveau. Auch gibt es zunehmend ein geteiltes Unbehagen über traditionell männlich dominierte Netzwerke und eine personell wie kulturell zu homogene Mitgliedschaft in den Parteien, die der Vielfalt und Pluralität der Gesellschaft entgegensteht.

Die vollständige Studie finden Sie hier.