Dokumente zum Zeitgeschehen

»Erst schießen, dann fragen«

Bericht von Amnesty International zu Polizeigewalt in Rio de Janeiro, 3.8.2015

»Erst schießen, dann fragen«: Nach diesem Grundsatz handelt offenbar die Militärpolizei in Rio de Janeiro. Insgesamt 1.519 Menschen starben in den vergangenen fünf Jahren durch die Hand von Polizeikräften in der künftigen Olympiastadt. Doch die meisten Fälle werden nie untersucht und die Verantwortlichen nur selten vor Gericht gebracht. Dies geht aus dem aktuellen Amnesty-Bericht »You killed my son: Killings by military police in Rio de Janeiro« hervor.

Allein in der Favela Acari im Norden der Stadt hat Amnesty klare Anzeichen dafür gefunden, dass es sich bei mindestens neun von zehn Fällen von Tötungen durch die Polizei im Jahr 2014 um außergerichtliche Hinrichtungen handelte. »Rio de Janeiro hat zwei Gesichter: Auf der einen Seite führt die Stadt der Welt Glanz und Glamour vor, auf der anderen Seite ist sie geprägt von repressiven Polizeieinsätzen, bei denen gezielt eine ganz bestimmte Gesellschaftsgruppe ins Visier genommen wird«, so Atila Roque, Direktor von Amnesty International in Brasilien.

»Brasiliens Strategie bei der Bekämpfung von Drogen und Gewalt, mit der die tatsächlich höchst prekäre öffentliche Sicherheitslage verbessert werden sollte, ist gewaltig nach hinten losgegangen. Sie hinterlässt Leid und Verwüstung und kostet viele Menschenleben, weil eine korrupte und unterbesetzte Polizei auf eine bitterarme, marginalisierte und nahezu unsichtbare Bevölkerungsschicht trifft. Dazu kommt eine Justiz, die permanent versagt, wenn es darum geht, Menschenrechtsverletzungen aufzuklären und die Betroffenen zu entschädigen.«

Recherchen von Amnesty International weisen auf den regelmäßigen Einsatz von unnötiger und unverhältnismäßiger Gewalt durch die Polizei bei Einsätzen in den Favelas von Rio de Janeiro hin. Die meisten der Menschen, die zwischen 2010 und 2013 von der Polizei getötet wurden, waren junge Männer afrobrasilianischer Herkunft zwischen 15 und 29 Jahren.

Die vollständige Studie finden Sie hier.