Rede des Ärztepräsidenten Klaus Reinhardt zur Eröffnung des 125. Deutschen Ärztetages, 1.11.2021
Wir werden einfordern, dass die Gesundheitspolitik nach den Erfahrungen der Coronapandemie im Koalitionsvertrag in besonderem Maße gewichtet wird. Gesundheitspolitik muss ein zentrales Handlungsfeld der nächsten Bundesregierung werden! Dies ist angesichts der Pandemiebewältigung und für eine moderne Gesellschaft des langen Lebens nur angemessen. Danach sieht es im Moment allerdings noch nicht aus.
Die gesundheitspolitischen Ankündigungen im sogenannten Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP mögen inhaltlich in die richtige Richtung gehen, ausreichend sind sie aber bei Weitem nicht. Wir vermissen zum Beispiel Strategien und Konzepte zur Überwindung des fortschreitenden Fachkräftemangels in unserem Gesundheitswesen. Die Ergebnisse der von der Bundesregierung mit viel PR gestarteten "Konzertierten Aktion Pflege“ sind ja bisher eher enttäuschend.
Die Personalsituationen in unseren Kliniken, in den Altenpflegeeinrichtungen und bei den mobilen Pflegediensten verschlechtert sich zusehends. Wenn hier nicht bald etwas passiert, droht der Kollaps des Systems. Und auch im ärztlichen Dienst zeigen alle unsere statistischen Kennzahlen massive Personalengpässe an. Sie sind heute schon spürbar und werden sich in den nächsten Jahren dramatisch verschärfen.
Viele stationäre Einrichtungen sind nur aufrecht zu erhalten, weil wir in großem Stil Ärztinnen und Ärzte aus zahlreichen Ländern zu uns geholt haben. Dieser „brain drain“ ist unter globalen Gesichtspunkten sicher nicht gerecht. Wir müssen die Menschen in unserem Land – auch die zugewanderten– qualifizieren und den damit verbundenen Aufwand selbst tragen. Das gilt für Ärztinnen und Ärzte, wie auch für die Beschäftigten in der Krankenpflege.
Und nach wie vor ist der Beruf der Ärztin und des Arztes bei Schulabsolventen besonders attraktiv. Jedes Jahr kommen auf rund 11.000 freie Studienplätze mehr als 60.000 Bewerberinnen und Bewerber. Hochmotivierte potentielle Ärztinnen und Ärzte haben wir also genügend. Es fehlt aber an einer ausreichenden Zahl von Studienplätzen in der Humanmedizin. Bundesweit 3.000 bis 5.000 Studienplätzen mehr, dann wären wir etwa da, wo wir im Jahr der Wiedervereinigung waren, würden die angespannte Personalsituation mittelfristig sicher deutlich entschärfen.
Nur um falschen Vorstellungen von Kostenträgern vorzubeugen: Eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe und die Entwicklung und Förderung neuer Pflege-Qualifikationen sind zur Sicherung einer hochwertigen, verantwortungsvollen Patientenversorgung im Team sicher eine sinnvolle Entwicklung. Das Problem des Mangels an Ärztinnen und Ärzten löst das aber in keinem Falle.
Die vollständige Rede finden Sie hier.