Erklärung der Gewerkschaften der G20-Länder, 7.7.2017
Der G20-Gipfel in Hamburg findet nach einem Jahr des Aufbegehrens der Wählerinnen und Wähler gegen Regierungen, Institutionen und die Funktionsweise der Wirtschaftssysteme statt, vor allem gegen ein globales System, das wesentlich mehr dazu beigetragen hat, die Märkte zu liberalisieren und zu deregulieren, als dazu, die Kosten und den Nutzen der Globalisierung gerecht zu verteilen.
Diesem Aufbegehren zugrunde liegt ein doppeltes Politikversagen: zunächst das Versäumnis, für eine angemessene Erholung von der Finanzkrise zu sorgen und uns stattdessen in eine „Niedrigwachstumsfalle“ zu treiben und dann das Versäumnis, für eine gerechtere Verteilung des Nutzens der Globalisierung, der technologischen und der wirtschaftlichen Fortschritte zu sorgen. Während ein erheblicher Teil der Haushalte in G20-Ländern seit zehn Jahren oder länger mit stagnierenden oder sinkenden Realeinkommen konfrontiert ist, hat eine kleine Elite einen oftmals spektakulären Zuwachs ihrer Einkommen und Vermögen erlebt. Diese Versäumnisse haben dazu geführt, dass zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Gemeinwesen das Nachsehen haben und sich angesichts zunehmender Unsicherheit in Bezug auf ihren Arbeitsplatz und ihre Zukunft selbst überlassen bleiben.
Die Weltweite Umfrage des IGB 2017 hat ergeben, dass 74 Prozent der Menschen besorgt über die zunehmende Ungleichheit zwischen dem reichsten Prozent und dem Rest der Bevölkerung sind, dass 73 Prozent Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes haben und dass 71 Prozent der Meinung sind, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht genügend Einfluss auf die Festlegung der Regeln für die Weltwirtschaft haben.
Die Staats- und Regierungschefs der G20 müssen diese Besorgnis zur Kenntnis nehmen und darauf mit einem Politikwechsel reagieren. Um Arbeitsplätze zu schaffen und den durch Globalisierung und technologischen Wandel erzeugten Wohlstand gerechter zu verteilen, muss die G20 koordiniert vorgehen, mittels Tarifverhandlungen, Steuerumverteilung, Investitionen in Qualifizierungsmaßnahmen sowie Strategien zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele und der Anpassung an den Klimawandel. Vom Gipfel der G20-Staats- und Regierungschefs muss eine entschiedene Forderung nach einem Politikwechsel und verstärkter internationaler Koordination ausgehen.
Die Staats- und Regierungschefs müssen die Forderung des Treffens ihrer Arbeitsminister nach einem „integrierten Maßnahmenpaket, das die Menschen und Arbeitsplätze in den Mittelpunkt rückt“, bekräftigen und sich zu Maßnahmen für menschenwürdige Arbeit für alle entlang globaler Lieferketten, in der digitalisierten und grünen Ökonomie der Zukunft verpflichten. Vor allem müssen sie die Verpflichtung ihrer Minister zu der Gewährleistung bestätigen, „dass Verstöße gegen das Prinzip menschenwürdiger Arbeit und andere grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit nicht Teil des Wettbewerbs sein dürfen“.
Wie in unseren nachstehenden politischen Prioritäten für die G20 erläutert, appellieren wir an die Staats- und Regierungschefs, sich zu folgenden Maßnahmen zu verpflichten:
· Finanzielle Anreize, um der Niedrigwachstumsfalle zu entkommen und einen gerechten Übergang zu einer kohlenstoffarmen und digitalisierten Wirtschaft zu ermöglichen;
· Arbeitsplatzqualität und Löhne als Kernstück der G20-Maßnahmen zur Auseinandersetzung mit den zunehmenden Ungleichheiten;
· Beseitigung des geschlechtsspezifischen Beschäftigungs- und Lohngefälles;
· Normensetzung für ein verantwortliches unternehmerisches Verhalten mit obligatorischer Sorgfaltspflicht für Menschenrechte in globalen Lieferketten;
· Für mehr Steuertransparenz sorgen;
· Eine gemeinsame Antwort auf die großen Flüchtlingsströme und die Integration der Migranten;
· Konkrete Umsetzung der Klimaverpflichtungen;
· Ausrichtung der G20-Maßnahmen auf die Agenda 2030;
· Gewährleistung einer gerechten Verteilung des aus dem technologischen Wandel resultierenden Nutzens;
· Förderung der Jugendbeschäftigung und Kompetenzentwicklung;
· Durchgängige Verankerung des sozialen Dialogs und Sicherstellung von Politikkohärenz innerhalb der G20.
Die vollständige Erklärung finden Sie hier.