Sondervotum des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger zum Jahresgutachten 2017, 8.11.2017
Insgesamt zielt die von der Mehrheit geforderte „Neujustierung der Wirtschaftspolitik“ darauf ab, die Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit des Staates durch eine Beschränkung und Reduzierung seiner Ressourcen zu schwächen.
Die nun schon seit Jahren ungewöhnlich gute wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, die aller Voraussicht nach noch mindestens bis zum Jahr 2019 anhalten wird, spricht jedenfalls nicht für einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es durchaus möglich ist, ambitionierte sozialpolitische Maßnahmen wie den Mindestlohn und die Förderung von Erneuerbaren Energien mit einem starken Beschäftigungswachstum und einer robusten Wachstumsdynamik zu vereinbaren. Auch die von der Mehrheit seit Jahren kritisierte und für Deutschland im Vorjahr als „unangemessen“ klassifizierte Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hat in Deutschland bisher weder zu inflationären Verspannungen noch zu gesamtwirtschaftlich bedrohlichen Fehlentwicklungen im Finanzsystem geführt.
Da die Spielräume für Ausgabensenkungen in anderen Bereichen der öffentlichen Budgets nicht zuletzt aufgrund zusätzlicher Anforderungen für die innere und äußere Sicherheit äußerst begrenzt sein dürften, besteht bei der „zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik“ wie sie die Mehrheit versteht, die große Gefahr, dass nach umfangreicheren Steuer- und Abgabensenkungen keine nennenswerten Mittel für zusätzliche Investitionen in Humankapital und Infrastruktur mehr verfügbar wären. Die Möglichkeit, solche Zukunftsinvestitionen – insbesondere im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld – über eine Kreditaufnahme zu finanzieren, für die dem Bund selbst im Rahmen der Schuldenbremse ein jährlicher Betrag von rund 10 Mrd Euro zur Verfügung stünde, schließt die Mehrheit kategorisch aus.
Insgesamt ist bei den Vorschlägen der Mehrheit für die deutsche Wirtschaftspolitik zu befürchten, dass sie die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht stärken, sondern schwächen.
Das vollständige Gutachten finden Sie hier, Peter Bofingers Sondervoten finden Sie unter »Eine andere Meinung«.