Dokumente zum Zeitgeschehen

»Parallel zu Ankündigungen einer Mietpreisbremse ziehen die Mieten an«

Kurzanalyse im Auftrag der Grünen-Fraktion zu den Auswirkungen der Debatte um die Mietpreisbremse auf dem Wohnungsmarkt in elf deutschen Städten, 10.11.2014

1 Problemaufriss und Fragestellungen

Die aktuelle Diskussion über die Einführung einer Mietpreisbremse hat das Augenmerk weg vom Neubau (mit seinen vergleichsweise geringen Wohnungszahlen) wieder stärker auf den Wohnungs- bestand geführt. Noch befindet sich die gesetzliche Grundlage für dieses Instrument in der Abstimmung zwischen Regierung und Parlament, in der Zwischenzeit geht die aktuelle Marktdynamik jedoch weiter.

In dieser Studie werden vor dem Hintergrund der hohen Mietdynamik in vielen Städten zwei Fragestellungen untersucht:

− Wie haben sich die Nettokaltmieten in elf ausgewählten Städten in Deutschland im Verlauf der Debatte über die Mietpreisbremse entwickelt und wie hoch ist der Mehrbetrag, den die Haushalte im Vergleich zu einer rechnerischen Mietpreisbremse bei Umzügen (und damit bei Wiedervermietungen) bezahlen müssten?

Damit soll orientierend verdeutlicht werden, welche Mehrbelastungen mit einem frühzeitigen In- krafttreten der Mietpreisbremse hätten verhindert werden können. Zudem wurde hier die Ent- wicklung der Mehrbelastung erfasst und Veränderungen in der Dynamik mit Debattenhöhepunkten zur Mietpreisbremse zeitlich überschlagsweise verglichen (Aufnahme der Mietpreisbremse ins Wahlprogramm der Union zur Bundestagswahl im Juni 2013, dem Beschluss des Koalitionsvertrags mit Mietpreisbremse Anfang Dezember 2013). Die ausgewählten Städte sind solche mit höherer Mietdynamik aus möglichst vielen verschiedenen Bundesländern und Regionen. Vor dem Hintergrund, dass die durchschnittliche Umzugsrate in Deutschland bei 9,9 Prozent liegt, kann dies für einen nennenswerten Anteil der rechnerisch 3,9 Mio. Haushalte, die jedes Jahr in Deutschland umziehen, eine finanziell sehr relevante Frage sein (Quelle: Statistisches Bundesamt).

− Wie stellt sich die Mietdynamik in Deutschland über einen längeren Zeitraum seit 2007 dar, insbesondere das durchschnittliche Preisniveau der neu abgeschlossenen Mietverträge (aktuelles Marktgeschehen anhand der Angebotsmieten) im Vergleich zur langfristigen Entwicklung der Nettokaltmieten der Gesamtheit aller laufenden Mietverträge?

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3.2 Die Ergebnisse im Überblick

Das absolute Niveau der Angebotsmieten für Wohnungen im Bestand liegt bei den meisten unter- suchten Städten in einem Bereich zwischen 9 und 10 Euro pro m2 nettokalt (Durchschnitt des Betrach- tungszeitraums seit Mitte 2013). Unterhalb dieses Niveaus liegen Berlin (8,55 Euro), Jena (8,62 Euro), Rostock (6,40 Euro) und Leipzig (5,74 Euro). Durchschnittswerte von über 10 Euro pro m2 ergeben sich für Hamburg (10,54 Euro) und Freiburg (10,05 Euro). Die rechnerische Mietpreisbremse bewegt sich im gleichen Zeitraum bei Werten zwischen 5,32 Euro (Leipzig) und 8,74 Euro (Köln). Das bedeutet rechnerische Mehrbelastungen in den einzelnen Städten bis zu 1.671 Euro im Jahr, die Haushalte für neu angemietete Wohnungen mit einer Größe von 65 m2 im Vergleich zu einer wirksamen Mietpreisbremse für eine solche Wohnung bezahlen müssten.

Die Dynamik der Angebotsmieten in diesem Bereich fällt unterschiedlich aus, jedoch sind sie in allen Städten gestiegen. Die Werte liegen, je nach Betrachtungszeitraum, zwischen 2,4 Prozent und 17,3 Prozent: Kurzfristig (d.h. seit Ende 2013) stiegen die Werte vor allem in Freiburg (+17,3%), Heidelberg (+10,7%), Regensburg (+9,3%) und Jena (+8,1%). Seit Juli 2013 zeigten sich hohe Anstiege vor allem in Jena (+17,0%), Darmstadt (+14,4%), Rostock und Freiburg (jeweils +11,3%). Mit Jena und Rostock sind damit deutliche Dynamiken bei den Angebotsmieten auch in ostdeutschen Städten zu verzeichnen.

Ein Anziehen der Angebotsmieten im Bestand zeitlich parallel zu den politischen Ankündigungen bezüglich einer Mietpreisbremse lässt sich in fünf Städten deutlich feststellen, in weiteren dreien eingeschränkt, in weiteren dreien nicht. Im Nachgang wichtiger politischer Weichenstellungen Anfang Juli 2013 (Forderung der Mietpreisbremse durch Kanzlerin Merkel) und Dezember 2013 (Beschluss Koalitionsvertrag) sind deutliche Anstiege vor allem in den Städten Freiburg, Regensburg, Hamburg, Mainz und Jena zu erkennen. Mit Abstrichen lassen sich auch Darmstadt, Köln und Heidelberg anführen. Die Anstiege der Angebotsmieten für alle untersuchten Städte liegen im Betrachtungs- zeitraum zwischen 0,37 (Heidelberg) und 1,31 (Jena) Euro pro m2.

Ob dieser Zusammmenhang unmittelbar und kurzfristig (d.h. innerhalb eines Monats) besteht, kann nicht eindeutig belegt werden. Gleichwohl zeigt sich im Gesamtbild über den Betrachtungszeitraum hinweg ein deutliches (überdurchschnittliches) Ansteigen der Angebotsmieten im Bestandssegment. Dies spricht dafür, dass die Angebotsseite sukzessive, d.h. jeweils über mehrere Folgemonate hinweg, die möglichen Folgen einer Mietpreisbremse vorsorglich antizipiert – wenn die Marktbedingungen es zulassen.

In acht der untersuchten Städte wächst die Mehrbelastung der umziehenden Haushalte im Vergleich mit der rechnerischen Mietpreisbremse dynamisch an. Die durchschnittliche Jahresmiete, die bei Abschluss eines Mietvertrags für eine wiedervermietete Wohnung fällig ist, nimmt also im Verlauf der politischen Diskussion zu.

Verglichen wird die aktuelle Wiedervermietungsmiete mit dem Preisniveau einer rechnerischen Mietpreisbremse, also dem Preisnveau, das sich mit 10 Prozent Aufschlag aus der Vergleichsmiete ergibt. Hierbei wurde der F+B-Mietspiegelindex als einheitliche Berechnungsbasis verwendet. Deutlich wird, dass die durchschnittliche Mehrbelastung des Haushalts im Vergleich zur Mietpreisbremse für eine Bestandswohnung mit 65 m2 im Verlauf der Diskussion des Gesetzes zunimmt - im Vergleich der Jahre 2013 und 2014 um durchschnittlich fast 60 Prozent. Besonders dringende Handlungsbedarfe für die Sicherung von Bezahlbarkeit im Wohnungsbestand lassen sich auf dieser Grundlage für Köln (+88%), Darmstadt (+80%), Jena (+76%), Regensburg (+73%) und Mainz (+70%) ableiten, wo dieser Zuwachs am stärksten ist.

Die Durchschnittsbetrachtung zieht einen wichtigen Effekt nach sich: Da die Angebotsmieten nach unten natürlicherweise limitiert sind, befindet sich rein statistisch die Mehrzahl der Fälle über dem jeweiligen Durchschnittswert. Hinzu kommt die jeweils stadtweite Betrachtung. Dabei fließen auch die zweifelsohne moderateren Werte etwa von Stadtrandlagen in den jeweiligen Gesamtmittelwert mit ein. In der Regel muss davon ausgegangen werden, dass sich die Werte in den besseren und inner- städtischen und innenstadtnahen Lagen vom Durchschnittswert deutlich nach oben abheben. 

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Die vollständige Studie finden Sie hier (pdf).