Dokumente zum Zeitgeschehen

»Querfront – Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks«

Studie der Otto Brenner Stiftung über die neue »Gegen-Öffentlichkeit«, 15.8.2015

Es ist Ziel der vorliegenden Recherche-Studie, ein Porträt der folgenden politisch-publizistischen Akteure anzufertigen: des Kopp-Verlags, des Publizisten Ken Jebsen, der Mediengruppe „Compact“ sowie der Organisatoren der »Montagsmahnwachen«. Die hier ausgewählten Akteure eint, dass sie insbesondere im Jahr 2014 stärker als zuvor zu einem Thema der veröffentlichten Meinung geworden sind; insofern waren die zeitweise in der Öffentlichkeit sehr präsenten »Montagsmahnwachen« Anlass für diese Studie. Die porträtierten Akteure werden von Massenmedien und offizieller Politik wahlweise als Antisemiten, Rechtspopulisten oder Verschwörungstheoretiker charakterisiert und ausgegrenzt. Sie wiederum nutzen diese Ausgrenzung offensiv und mit Erfolg als Moment der Identitätsstiftung, Mobilisierung und Aufmerksamkeitssteigerung. Die Akteure handeln für sich, sind jedoch auch als ein publizistisch-politisches Netzwerk anzusehen. Es trägt unter anderem wesentlich dazu bei, die Grenzen zwischen traditionell linken und rechten Haltungen zu verwischen. Politisch verorten sich die Akteure überwiegend jenseits klassischer Rechts-links-Schemata. Das hier angesprochene Netzwerk ist wiederum nur Teil eines sehr viel umfassenderen Milieus. Das Netzwerk eint inhaltlich eine politisch-kulturelle Haltung, die einen möglichst homogenen Nationalstaat und tradierte Lebensweisen wertschätzt und demokratisch-liberale Gesellschaftsentwürfe ablehnt. Bevorzugt wird dagegen das Gesellschaftsbild einer autoritären, nichtliberalen ,Volks-Demokratie‘, die einerseits von einer starken Führung und andererseits von Plebisziten und weiteren Elementen der direkten Demokratie geprägt ist. Liberale Prinzipien wie Pluralismus und Minderheitenrechte werden bestenfalls ignoriert, zumeist jedoch explizit abgewertet. Der ebenfalls identitätsstiftende ‚Feind‘ sind ‚die da oben‘, also herrschende nationale und internationale Eliten, die sich, so die Sichtweise, nur ihren egoistischen Eigeninteressen verpflichtet sehen und gegen ,Volks-Interessen‘ handeln. Medien, politische Bürokratien und Parlamente werden als von diesen Eliten beherrscht (oder selbst als diesen Eliten zugehörig) betrachtet. Die hier porträtierten Akteure verbindet die grundsätzliche Kritik an den hiesigen Verhältnissen. Es fällt auf, dass positive Anmerkungen über die heutigen Verhältnisse in Deutschland oder in der EU, positive Bekenntnisse zur demokratisch-repräsentativen Gesellschaftsordnung und den ihr zugrunde liegenden Werten fehlen. Diese inhaltliche Ausrichtung lässt eine grundsätzliche Gegnerschaft der Akteure zur bestehenden Gesellschaftsordnung vermutenDas Netzwerk arbeitet nicht daran, mit seinen Inhalten in den traditionellen Massenmedien präsent zu sein. Das wichtigste Ziel ist es vielmehr, die jeweils eigene Öffentlichkeit jenseits der klassischen Medienwelt möglichst stark zu machen. Den Netzwerk-Akteuren ist es bereits gelungen, mit der Arbeit der Einzelnen und im Zusammenwirken ein über Jahre hinweg stabiles publizistisch-politisches Medien-Angebot aufzubauen. Es ist in der Lage, die für die Akteure bedeutsamen gesellschaftspolitischen Entwicklungen aktuell mit handwerklich-technisch professionell hergestellten crossmedialen Angeboten zu begleiten und so zu diesen Themen einem ständig wachsenden Publikum verlässlich eigene Deutungen anzubieten. Die Netzwerk-Akteure vermochten ihre Angebote in den vergangenen zwei Jahren teilweise wesentlich auszubauen. Damit bietet dieses Netzwerk insgesamt gesehen dem potenziellen Publikum inzwischen eine kommunikative Vollversorgung, bestehend aus täglichen Online-Diensten, Newslettern, Blogs, Videos, Internet-TV, einem Monatsmagazin, Büchern, Veranstaltungen, Konferenzen bis hin zu ‚montäglichen Kundgebungen und Demonstrationen‘. Die offerierten geschlossenen Deutungswelten, die mit den Inhalten, die den herrschenden Mainstream prägen, so gut wie nichts zu tun haben, stoßen über das jeweilige Milieu hinaus auf steigendes Interesse. Bei der Herstellung der Produkte setzen die Akteure auf die Mechanismen der Personalisierung, Dramatisierung, Zuspitzung, Perspektivenarmut und Skandalisierung – all dies Mechanismen, die sie als Kritikpunkte wiederum den klassischen Mainstream-Medien vorhalten. Das Netzwerk verdankt seinen Erfolg wesentlich der Tatsache, dass es Personen, Organisationen, Positionen und Haltungen eine Stimme verschafft, die in den klassischen Medien nicht repräsentiert oder ausgegrenzt werden, obwohl diese – laut Meinungsumfragen – sehr wohl über einen mehr oder weniger starken Rückhalt in der öffentlichen Meinung verfügen. Das gilt für Positionen, die aus Sicht des politischen Mainstreams als rechts- wie als linkspopulistisch charakterisiert werden können. Es handelt sich beim Untersuchungsgegenstand deshalb auch um das Beispiel einer zwar vergleichsweise (noch) begrenzten, aber gut funktionierenden und leistungsfähigen eigenständigen ‚Gegen-Öffentlichkeit‘ jenseits der traditionellen Massenmedien.

Die ganze Studie finden Sie hier (PDF).