Dokumente zum Zeitgeschehen

»Überwältigende Zustimmung für einen Richtungswechsel in der Steuerpolitik«

Studie im Auftrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zu Einstellungen der Bevölkerung zur Steuerpolitik, 16.5.2013

Der Kontext

Nachhaltige Finanzierung der sozialen Infrastruktur und des Sozialstaates – Der Paritätische im Bündnis „Umfairteilen – Reichtum besteuern!“

Die Finanznot der öffentlichen Haushalte stellt mittlerweile nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch eine Bedrohung unseres Sozialstaates dar: Nicht nur, dass vielerorts immer mehr Schulen, Sporthallen oder Parks in marodem Zustand sind und Schwimmbäder oder Kultureinrichtungen geschlossen werden. Auch Maßnahmen der Jugendarbeit, Gesundheitsberatungsdienste, Frauenprojekte, Beschäftigungsinitiativen und vieles mehr, was Wohlfahrt und Lebensqualität vor Ort ausmacht, fallen zunehmend dem Rotstift zum Opfer. Dringend notwendige Reformen – von der Pflege bis zur Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern oder der Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention – werden mit Verweis auf leere Kassen auf „die lange Bank geschoben“. Mit der Schuldenbremse wird sich die Situation noch ganz erheblich verschärfen. Bund und Länder werden in sehr kurzer Zeit zu ausgeglichenen Haushalten gezwungen. Die notwendige Konsolidierung wird bisher fast ausschließlich über Ausgabenkürzungen gesucht. Weite Teile der sozialen Infrastruktur vor Ort drohen zum Opfer dieser Entwicklung zu werden. Daher engagiert sich der Paritätische für eine neue, solidarische und vernünftige Steuerpolitik.

Vor einem Jahr genau hat sich das Bündnis „Umfairteilen – Reichtum besteuern!“ gegründet. Erstmalig haben sich in diesem Bündnis so unterschiedliche Akteure wie Gewerkschaften, Globalisierungskritiker und Wohlfahrtsverbände wie der Paritätische Gesamtverband zusammengeschlossen, um gemeinsam für eine neue, eine sozial gerechtere Steuerpolitik zu werben. Gemeinsam fordern die Akteure dieses parteipolitisch unabhängigen Bündnisses die stärkere Besteuerung großer Vermögen sowie den konsequenten Kampf gegen Steuerbetrug und Steueroasen zur Finanzierung notwendiger sozialer und öffentlicher Leistungen und Reformen1. Eine ähnlich breite und vielfältige zivilgesellschaftliche Bewegung für einen Richtungswechsel in der Steuerpolitik, für „faires Teilen“ gab es vorher nicht.

Um zu einer nachhaltigen Finanzierung des Sozialstaates zu gelangen, sind dreierlei Voraussetzungen zu schaffen:

  • Erstens muss die Frage der Verteilungs- und Steuergerechtigkeit und der nachhaltigen Finanzierung unseres Gemeinwesens zum Wahlkampfthema werden. Alle Parteien müssen für diese Fragen zumindest sensibilisiert werden. Wie es sich aktuell abzeichnet, wird dies passieren.

  • Zweitens muss die Bevölkerung über den erheblichen Reichtum in Deutschland, die Vermögensverteilung und die finanzpolitischen Spielräume, die diese eröffnen, aufgeklärt sein. An diesem Punkt ist, wie auch diese Studie zeigt, noch einige Arbeit zu leisten.

  • Schließlich muss in der Bevölkerung die Scheu genommen werden, bestehende Ungleichheiten und vor allem aber Reichtum zu thematisieren und Solidarität zugunsten unser aller Gemeinwesen einzufordern. Auch hierzu bedarf es noch einiger Anstrengungen und phantasievoller Initiativen.

Die Studie

Die repräsentative Erhebung wurde am 6. und 7. Mai 2013 von TNS Infratest Politikforschung im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes durchgeführt. Insgesamt wurden 1.000 wahlberechtigte Personen über 18 Jahren in Deutschland befragt. Es handelt sich dabei um eine repräsentative Zufallsauswahl (Randomstichprobe).

Aus Sicht des Paritätischen ist eine steuerpolitische Kehrtwende zwingend notwendig, um notwendige soziale Investitionen und Reformen zu finanzieren. Mit der vorliegenden Umfrage sind wir der Frage nachgegangen, wie weit diese Meinung in der Bevölkerung geteilt wird.

Es ist nicht die erste Studie dieser Art. In jüngerer Zeit wurden unterschiedliche Erhebungen zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Verteilungspolitik veröffentlicht, z.B.

  • Infratest dimap: ARD Deutschland Trend, Mai 2013

  • Institut für Demoskopie Allensbach: „Was ist gerecht? Gerechtigkeitsbegriff und –wahrnehmung der Bürger“, Dezember 2012

  • TNS Infratest Politikforschung: „Instrumente gegen die Krise“, im Auftrag von ver.di, Oktober 2012

Von besonderem Interesse war für uns nicht nur, ob es sich bei diesen Stimmungsbildern um bloße „Eintagsfliegen“ handelt oder ob sich hier eine Verstetigung bestimmter Einstellungen abzeichnet. Was uns besonders interessierte, war die Frage, wie die Einstellungen zur gegebenen Vermögensverteilung und einer stärkeren Besteuerung großer Einkommen und Vermögen in den Anhängerschaften der verschiedenen Parteien aussehen. Im Herbst finden Bundestagswahlen statt und so ist dieser Aspekt, der in den oben genannten Studien nicht berücksichtigt wurde, von besonderer Relevanz. Bei Konzeption und Auswahl der insgesamt fünf Fragen2 wurde darüber hinaus ein besonderer Fokus auf die sozialpolitischen Aspekte der Verteilungsdebatte gelegt, da diese wie eingangs skizziert die handlungsleitende Motivation für das Engagement des Paritätischen Gesamtverbands darstellen.

Im Folgenden finden Sie die Ergebnisse der Umfrage aufbereitet. Zu beachten ist, dass für die Detailauswertung und grafische Darstellung in der Regel jeweils nur diejenigen Befragten berücksichtigt wurden, die Angaben gemacht haben.

Summary

Die vorliegende Umfrage zeigt, dass in der Bevölkerung mittlerweile eine geradezu überwältigende Zustimmung für einen Richtungswechsel in der Steuerpolitik gegeben ist. Die Menschen erkennen einen ganz erheblichen Investitionsbedarf im Bildungswesen und im sozialen Bereich und empfinden zugleich die private Vermögensanhäufung in Deutschland als eher ungerecht. Es gibt in Deutschland eine breiteste Übereinstimmung zu diesen Fragen über alle Schichten und parteipolitischen Präferenzen hinweg. Die kurze Studie gibt auch einen Hinweis darauf, dass die Bewertung der Vermögensverteilung in Deutschland und die Zustimmung in der Bevölkerung zu einer stärkeren Besteuerung großer Einkommen und Vermögen entscheidend von den zur Verfügung gestellten Informationen abhängt.

Die vollständige Studie finden Sie hier (pdf).