Dokumente zum Zeitgeschehen

»Unterstützt gezielt auch alle diejenigen bei der Ein- und Weiterreise, denen rassistischer Ausschluss droht«

Gemeinsamer offener Brief der Roma-Organisationen in Deutschland, 6.3.2022

Die Bereitwilligkeit zur Aufnahme von Flüchtenden aus der Ukraine und die flexible Bereitstellung von notwendigen Ressourcen ist beispiellos. So soll es sein – und zwar für alle! Doch Rassismus als strukturelle Gewalt wirkt in jeder Situation. In Zeiten der Flucht hat diese Gewalt existenzielle Folgen. So wie in Staaten wird auch an Grenzen mit Menschen unterschiedlich umgegangen. An der Grenze zwischen Belarus und Polen wurden im letzten Winter Menschen derart blockiert, dass einige erfroren. Diese Flüchtenden sind in Europa nicht willkommen. Auch in den vergangenen Tagen mehren sich Berichte, nach denen Schwarze und Menschen of Colour aus rassistischen Gründen an der Weiterreise gehindert werden und keine Unterkünfte bekommen.

Roma und Romnja sind laut einem ERRC Bericht von 2018 die größte undokumentierte Gruppe in der Ukraine. Fehlende Dokumente sind die Hauptursache für die Staatenlosigkeit von Romnja und Roma. Die meisten haben gesetzlich den Anspruch auf die ukrainische Staatsangehörigkeit, können dieses Recht aber ohne Dokumente nicht durchsetzen. Diese Staatenlosigkeit vererben sie an ihre Kinder, so dass seit Jahrzehnten ein Kreislauf transgenerationeller struktureller Diskriminierung fortgeführt wird.

Wir fordern von der Ukraine: Lasst alle Menschen ungehindert ausreisen, die vor dem Krieg fliehen! Keine rassistische Benachteiligung bei der Verteilung von Plätzen in Zügen und anderen Verkehrsmitteln!

Wir fordern von den Nachbarländern der Ukraine: Lasst alle Flüchtenden aus der Ukraine ungehindert ein- und weiterreisen, ohne Unterscheidung nach Pässen, Visa und Aufenthaltstiteln!

Wir rufen vor allem alle diejenigen, die sich in solidarischen Unterstützungsstrukturen für Flüchtende aus der Ukraine engagieren, auf: Unterstützt gezielt auch alle diejenigen bei der Ein- und Weiterreise, denen rassistischer Ausschluss droht!

Wir brauchen sprachkundige und rassismussensible Beratung für geflüchtete Romnja und Roma aus der Ukraine und die Einbeziehung der migrantischen Roma-Selbstorganisationen, um die Menschen angemessen beraten zu können. Unserer Erfahrung nach gibt es zu wenig Anlaufstellen für Minderheitenangehörige, deren Ausgangslage aufgrund rassistischer Diskriminierungen im Herkunftsstaat, auf der Flucht sowie bei und nach der Ankunft komplexer ist.

Den vollständigen offenen Brief finden Sie hier.