Dokumente zum Zeitgeschehen

»Von Beratung aus einer Hand kann keine Rede sein«

Studie des DGB zur sozialintegrativen Betreuung von Langzeitarbeitslosen, 18.6.2014

Sozialintegrative Leistungen der Kommunen im Hartz IV-System – Beratung „aus einer Hand“ erfolgt meist nicht

Mit Hartz IV wurde die größte Sozialreform in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt. Eine zentrale Idee war die Bündelung der kommunalen Erfahrungen aus der ehemaligen Sozialhilfe mit den arbeitsmarktlichen Kompetenzen der Arbeitsagenturen. Sozialintegrative Hilfen sollten mit beruflichen Integrationsleistungen verzahnt werden, die Gewährung aller individuellen Hilfen aus einer Hand war beabsichtigt. Den Hartz-IV-Empfängern und -Empfängerinnen sollte mit einer umfassenden Beratung und Unterstützung geholfen werden. Doch die Praxis sieht ganz anders aus. Von einer ganzheitlichen Betreuung kann meist nicht gesprochen werden. Dies zeigen nicht nur die – völlig unzureichenden – Daten, die der Bundesagentur für Arbeit gemeldet werden, sondern auch neue Forschungsberichte.

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Empfehlungen aus gewerkschaftlicher Sicht

Mit Hartz IV sollten soziale und arbeitsmarktliche Integrationshilfen zusammengefasst und aus einer Hand erbracht werden. Das System schafft aber weder in rechtlicher noch in finanzieller Sicht die Vorausset-zungen dafür, dass dies verbindlich flächendeckend umgesetzt wird. Es sind daher Nachbesserungen in rechtlicher Hinsicht sowie finanzielle Korrekturen erforderlich.

- Es sollte ein Rechtsanspruch auf die sozialintegrativen Leistungen bestehen möglichst unab-hängig von der Rechtskreiszugehörigkeit der Hilfesuchenden. Die Inanspruchnahme der sozialin-tegrativen Leistungen sollte grundsätzlich freiwillig sein, da nur so eine Erfolg versprechende Be-ratung möglich ist.

- Es muss ein System aufgebaut werden, das sicherstellt, dass bundesweit qualitativ und quantitativ ausreichende Angebote an sozialintegrativen Leistungen bereitgestellt werden. Dafür muss zunächst Transparenz über die Erbringung von sozialintegrativen Leistungen geschaffen werden. Weiter müssen bundesweit verbindliche Standards gelten, die einen schnellen und qualitativ hochwertigen Zugang zu den Leistungen absichern. Der Abschluss von Zielvereinbarungen für kom-munale Leistungen und die Nachhaltung können diesen Prozess befördern.

- Schriftliche Vereinbarungen zwischen den Trägern und den Leistungsanbietern müssen die Er-bringung der sozialintegrativen Leistungen regeln. Dabei hat die Vertragsgestaltung mit den Leis-tungsanbietern Mindestanforderungen zu genügen. So müssen Leistungsinhalte und –umfänge, Prozessstandards, Kooperationsstandards und Berichtspflichten enthalten sein. Sozialdatenschutz-rechtliche Fragen sind in besonderer Weise zu regeln, um den für eine verzahnte Leistungserbrin-gung erforderlichen Informationsaustausch auf eine sichere Basis zu stellen.

- Die Hilfestellung aus einer Hand sollte möglichst so umgesetzt werden, dass die kommunalen Ein-gliederungsleistungen Schulden-, Sucht- und psychosoziale Beratung in dem Jobcenter ange-boten werden. Dafür sind entsprechende gesetzliche Regelungen zu treffen oder finanzielle Anreize zu setzen. Der Bund könnte sich bei Kommunen, die unter kommunaler Finanzhoheit stehen, anteilig an den Kosten beteiligen. Wichtig sind in jedem Fall gut geregelte Zugangswege zu den Leistungs-anbietern und enge Absprachen hinsichtlich aufeinander abgestimmter sozialer und beruflicher Un-terstützungsleistungen.

- Es sollten rechtliche Voraussetzungen oder finanzielle Anreize dafür geschaffen werden, dass sozial-integrative Leistungen präventiv und nachsorgend in einem einheitlichen Beratungsprozess er-bracht werden. So könnten die flankierenden kommunalen Leistungen während des Arbeitslosen-geldbezuges beziehungsweise nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit anteilig vom Bund finanziert werden. Der präventive Auftrag der Krankenkassen für Arbeitslose sollte in dem Zusammenhang ge-stärkt werden. Netzwerke der verschiedenen Akteure sollten ausgebaut werden.

- Arbeitsgelegenheiten sind vorrangig als Instrument der sozialen Teilhabe und persönlichen Stabi-lisation zu nutzen. Sie sind so zu öffnen, dass die Erbringung sozialintegrativer Leistungen als integraler Bestandteil des Maßnahmeinhalts möglich ist.

- Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Hartz-IV-Stellen sind so zu qualifizieren, dass sie Be-darfe besser erkennen, in angemessener Weise thematisieren und geeignete Lösungsstrategien ent-wickeln können. Die Qualifizierung kann auch durch die Schuldner-, Sucht- oder psychosozialen Be-ratungsstellen selber erfolgen.

- Die zentrale Idee der Hartz-Reformen der besseren Verzahnung von beruflichen und sozialen Hilfen zur Integration in Arbeit darf nicht den unterschiedlichen Interessenlagen der handelnden Akteure zum Opfer fallen. Das Thema muss verstärkt ins öffentliche Licht gerückt werden. Die vorlie-genden Studien und die daraus resultierenden Aktivitäten bieten einen Einstieg. Weitere Erfahrungs-austausche, Arbeitsgruppen, Kongresse aber auch Forschung sind erforderlich, um mehr Transparenz zu schaffen und den Gedanken der besseren Verzahnung von beruflichen und sozialen Hilfen voran zu treiben.

Die örtlichen Beiräte sollten sich entsprechend ihrem Auftrag aktiv in die Beratung der Hartz-IV-Träger bei der Auswahl und Gestaltung der kommunalen Eingliederungsleistungen einbringen.

Den vollständigen Bericht finden Sie hier.