Studie des Freiburger Max-Planck-Instituts zur Vorratsdatenspeicherung, 27.1.2012
Die Verkehrsdatenspeicherung hat europaweit rechtspolitische und verfassungsrechtliche Kontroversen ausgelöst, geführt durch Nichtregierungsorganisationen, Datenschutzbeauftragte und Sicherheits- bzw. Polizeibehörden sowie Innen- und Justizministerien und ausgetragen teilweise vor Verfassungs- oder Obersten Gerichten. Es geht um strategische Abwägungen zwischen Strafverfolgungseffizienz, Sicherheit und dem Schutz des Privaten. Angesichts der beträchtlichen Datenmengen werden darüber hinaus besondere Herausforderungen aus der Perspektive des Datenschutzes gesehen, der auch aus der Sicht der Europäischen Kommissi- on innerhalb der Europäischen Union herausragende Beachtung finden soll.
Eine Vorratsdatenspeicherung, wie in der EU Richtlinie vorgesehen und in dem nun vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten Gesetz umgesetzt, ist aus Datenschutzgesichtspunkten heraus auch deshalb problematisch, weil sie als anlassunabhängige und verdachtslose Überwachung des Telekommunikations- und Internetverkehrs einen intensiven Eingriff in Art. 8 der EMRK bzw. des Fernmeldegeheimnisses mit sich bringt und sich in Deutschland jedenfalls nur schwer mit den Vorgaben des – allerdings lange zurück liegenden – Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts in Einklang bringen lässt. In der Beurteilung der Vorratsdatenspeicherung wird die Bedeutung des Telekommunikationsgeheimnisses als zentrales Menschenrecht in der Informationsgesellschaft betont und ferner darauf hingewiesen, dass Kommunikationsnetze nicht zu „Plattformen der Verdachtsschöpfung“ werden dürften. Praktische Bedenken gegen die Vorratsspeicherung berufen sich auf Zweifel an der Kosten- Nutzen-Effizienz und an der Beherrschbarkeit von Datenmengen, die aus der Telekommunikation von etwa 400 Millionen Menschen resultieren. Gezweifelt wird darüber hinaus an der Existenz eines hinreichenden datenschutzrechtlichen Konzepts, mit dem den Gefahren einer missbräuchlichen Verwendung der Daten angemessen begegnet werden kann.
Aus der Perspektive der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden wird betont, dass Veränderungen im Kommunikationsverhalten sowie in der Technik der Kommunikation unabweisliche Bedürfnisse nach Zugriffsmöglichkeiten auf zurückliegende Verbindungs- bzw. geografische Daten der Telekommunikation mit sich bringen. Insbesondere Straftaten, die mittels eines Telekommunikationsgeräts begangen werden, bieten im Wesentlichen nur Verkehrsda- ten als Anknüpfungspunkt für erfolgreiche Ermittlungen. Auch die typische Transaktionskriminalität, wie sie beispielsweise im Drogenhandel und im Handel mit Menschen oder Kinderpornografie zum Ausdruck kommt, sowie der internationale Terrorismus, der grenzüberschreitende Netzwerke zur Grundlage hat, integrieren moderne Kommunikationstechnologie und lassen damit digitale Spuren entstehen, die für Prävention und Repression grundsätzlich geeignet sind. Die häufige Nutzung von Prepaid SIM-Karten sowie die Flatrate-Praxis der Telekommunikationsunternehmen führen entweder zu einer nurmehr kurzen Speicherungsdauer der Verkehrsdaten oder gar dazu, dass bestimmte Daten gar nicht mehr gespeichert werden (und gespeichert werden dürfen), wodurch sich die Zugriffsmöglichkeiten auf kurze Zeitfenster und selektive Datenbestände begrenzen und Aufklärungs- und Präventionsmöglichkeiten reduzieren.
Nur wenige Informationen liegen über die öffentliche Meinung zur Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten vor. Eine FORSA-Umfrage aus dem Jahr 2008, kurz nach der Implementie- rung der Richtlinie 2006/24 in Deutschland durchgeführt, ergab, dass etwa 10% der Befragten auf eine Kommunikation, die speicherungsfähige Daten hinterlassen hätte, verzichtet hat. Etwa die Hälfte gab an, Kontakte zu sensiblen Einrichtungen (Drogenberatung etc.) wohl nicht über Mobiltelefon oder Internet herzustellen. Gespalten ist die öffentliche Meinung darüber, ob die Vorratsspeicherung eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zur Kriminalitätsbekämpfung ist.
Die komplette Studie finden Sie hier.