Dokumente zum Zeitgeschehen

»Werte und Traditionen tragen auch das Deutschland der Zukunft«

Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag, 14.12.2015

»Liebe Freunde, es steht völlig außer Frage: Die Aufgabe, die wir jetzt zu bewältigen haben – die vielen, vielen Flüchtlinge –, ist riesig. Ich will mit einem Dankeschön an alle haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer beginnen. Sie leisten tagtäglich Unglaubliches, sie wachsen über sich hinaus. [...] Ja, diese Aufgabe ist riesig. Deshalb ist es auch richtig und wichtig, dass wir im Bundesvorstand um unsere Karlsruher Erklärung gerungen haben und heute weiter darüber sprechen werden. Ich danke Thomas Strobl und Thomas de Maizière, ich danke Julia Klöckner und Peter Tauber, ich danke Peter Altmaier und vielen anderen für die Erarbeitung dieser Erklärung. Ich danke auch Volker Bouffier, den Vereinigungen, der Jungen Union, der MIT und auch der KPV, die gesagt haben: Lasst uns auch die Sorgen der Menschen in den Blick nehmen – die Sorgen, die wir jetzt auf den Punkt gebracht haben, indem wir gesagt haben, dass auch ein starkes Land wie Deutschland auf Dauer mit einer so großen Zahl von Flüchtlingen überfordert ist. Wir sind die Volkspartei Christlich Demokratische Union, die die Sorgen der Menschen aufnimmt. Aber wir sind auch die Volkspartei, die Sorgen nicht nur aufnimmt, sondern die gestaltet und Lösungen findet. [...] Deshalb wollen und werden wir die Zahl der Flüchtlinge spürbar reduzieren, weil das im Übrigen im Interesse aller ist: Es ist im deutschen Interesse – mit Blick auf die Aufgaben, von der Versorgung der Flüchtlinge bis hin zur Integration in die Gesellschaft und im Arbeitsmarkt. Es ist im europäischen Interesse – mit Blick auf unsere innere Verfasstheit in der Europäischen Union und mit Blick auf unsere Rolle in der Welt. Und, liebe Freunde, es ist im Interesse der Flüchtlinge selbst; denn niemand, egal, warum er sich auf den Weg macht, verlässt leichtfertig seine Heimat. [...]«

Liste der sicheren Herkunftsstaaten als Instrument

»Liebe Freunde, es lohnt sich, den Kampf um ein einheitliches europäisches Vorgehen zu kämpfen. Es lohnt sich, den Kampf um unsere Rolle in der Welt zu kämpfen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. [...] Wir brauchen, so schreiben wir es in unserer Karlsruher Erklärung, eine Lösung der Flüchtlingsbewegung, die nachhaltig ist und dauerhaft wirkt, eine Lösung, die im deutschen und europäischen Interesse ist, eine Lösung, die nur in europäischer Solidarität und in enger Kooperation mit den Herkunfts- und Transitländern der Flüchtlingsbewegung funktionieren kann. Es handelt sich um eine globale Herausforderung. Diese globale Herausforderung müssen wir richtig angehen, um eine dauerhafte und tragfähige Lösung zu bekommen. Dann wird es gelingen, die Zahl der Flüchtlinge spürbar zu reduzieren. Wie soll das gelingen? Zunächst auf der nationalen Ebene. Wir haben erstens eine Liste der sicheren Herkunftsstaaten erstellt.[...] Es war richtig, die Länder des westlichen Balkans als sichere Herkunftsländer einzustufen und deutlich zu sagen, dass die übergroße Mehrzahl keine Bleibeperspektive bei uns hat. Nachdem im ersten Halbjahr dieses Jahres noch 40 Prozent der ankommenden Flüchtlinge Menschen aus dem westlichen Balkan waren, sind es jetzt so gut wie keine mehr. [...] Wir haben ganz deutlich gemacht: Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung. Wir sind ein Rechtsstaat. Jeder, der zu uns kommt, durchläuft ein rechtsstaatliches Verfahren. Die, die eine Akzeptanz als Flüchtlinge haben – seien es Asylbewerber oder Menschen mit subsidiärem Schutz –, die bekommen Schutz. Aber genauso rechtsstaatlich ist das Verfahren, wenn es darum geht, dass jemand kein Bleiberecht hat. Deshalb haben wir zweitens Fehlanreize beseitigt: mehr Sach statt Geldleistungen. [...] Wir müssen es umsetzen, genauso wie drittens, dass Asylbewerber künftig bis zu sechs Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben müssen, wenn sie aus sicheren Herkunftsstaaten kommen, um bis zum Abschluss des Verfahrens dort zu bleiben, damit wir viertens nach Ablehnung Menschen besser zurückführen können. Das kann man auch mit einem freundlichen Gesicht machen, aber man muss erklären: Wir müssen unsere Kräfte auf den humanitären Schutz konzentrieren. [...]«

Integration als Gegenentwurf zu »Multikulti«

»Deutschland ist ein Land mit einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie und mit dem Gewaltmonopol des Staates, mit der Trennung von Staat und Kirche, mit der Religionsfreiheit, der Meinungs- und Medienfreiheit sowie mit der Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson. Um es klipp und klar zu sagen: Unsere Gesetze stehen über Ehrenkodex, Stammes- und Familienregeln. Unsere Werte und Traditionen haben unser Land in den letzten 66 Jahren getragen. Sie tragen auch das Deutschland der Zukunft. Wer vor Krieg und Verfolgung zu uns flieht, der findet bei uns Schutz. Wer bei uns Zuflucht und Schutz gefunden hat, der muss unsere Gesetze, Werte und Traditionen achten, und der muss, um uns zu verstehen, die deutsche Sprache lernen. Das alles, liebe Freunde, ist Integration und das glatte Gegenteil von Multikulti. Es bleibt dabei: Multikulti führt zu Parallelgesellschaften und bleibt damit eine Lebenslüge. Das Gegenteil davon ist Integration, die die Offenheit der Menschen in unserer Gesellschaft erfordert. Dazu gehört aber genauso die Bereitschaft derjenigen, die zu uns kommen, sich an unsere Werte und Traditionen zu halten. Wenn wir den alten Fehler der Vergangenheit wiederholen – damals sprachen wir von Gastarbeitern anstatt von Menschen –, dann werden wir die Integration nicht schaffen. Aber das Deutschland der Zukunft würde dann Schaden nehmen. Deshalb gehen wir anders vor. Wir werden aus den Fehlern lernen; denn ein Land profitiert von gelungener Einwanderung. Aber das setzt eben Integration voraus.«

Das gesamte Skript der Rede finden Sie hier.