Dokumente zum Zeitgeschehen

»Wir sind dramatisch vom Kurs auf Zero Hunger abgekommen«

Welthunger-Index von Welthungerhilfe und Concern Worldwide, 14.10.2021 (engl. Originalfassung)

Der Welthunger-Index (WHI) 2021 weist auf eine besorgniserregende Hungersituation hin, in einer Welt, die mit multiplen Krisen konfrontiert ist. Der bereits zuvor viel zu langsame Fortschritt in Richtung Zero Hunger bis 2030 stagniert oder hat gar Rückschläge zu verzeichnen.

Wir sind dramatisch vom Kurs auf Zero Hunger abgekommen
Aktuellen WHI-Prognosen zufolge wird die Weltgemeinschaft – insbesondere 47 Länder – ein niedriges Hungerniveau bis 2030 nicht erreichen. Die drei verheerendsten Hungertreiber Konflikte, Klimawandel und die Covid-19-Pandemie bedrohen jegliche Fortschritte der letzten Jahre. Gewaltsame Konflikte, die eng mit Hunger verflochten sind, zeigen keine Anzeichen für ein Nachlassen. Klimafolgen werden hingegen immer deutlicher und schwerwiegender, doch die Welt hat nach wie vor keinen ausreichend wirksamen Mechanismus für effektiven Klimaschutz entwickelt. Und die Pandemie, die 2020 und 2021
weltweit grassierte, hat offengelegt, wie anfällig wir für eine globale Infektionsverbreitung und die damit verbundenen Folgen sind.

Der weltweite Fortschritt stockt, in einigen Regionen bleibt der Hunger besorgniserregend hoch

Aktuelle Erkenntnisse deuten auf Rückschläge in der Hungerbekämpfung hin und verheißen schwierige Aussichten für die Zukunft. Zwar zeigen die WHI-Werte eine Verbesserung der globalen Hungersituation seit 2000, doch die Fortschritte verlangsamen sich. Während der globale WHI-Wert zwischen 2006 und 2012 um 4,7 Punkte von 25,1 auf 20,4 sank, ist er seither nur noch um 2,5 Punkte gefallen. Nach Jahrzehnten des Rückgangs steigt die weltweite Verbreitung von Unterernährung, einem der vier Indikatoren des WHI. Diese Entwicklung könnte ein Vorzeichen dafür sein, dass sich auch andere Hungerindikatoren umkehren. Sowohl die Hungersituation in Afrika südlich der Sahara als auch jene in Südasien wird als ernst eingestuft. Von allen Regionen weist Afrika südlich der Sahara die höchsten Raten von Unterernährung, Wachstumsverzögerung bei Kindern und Kindersterblichkeit auf. Das hohe Hungerniveau in Südasien ist hauptsächlich auf hohe Unterernährungsraten bei Kindern zurückzuführen. In Europa und Zentralasien, Lateinamerika und Karibik, Ost- und Südostasien sowie Westasien und Nordafrika ist das Hungerniveau niedrig oder mäßig.

In fast 50 Ländern ist die Hungersituation nach wie vor ernst, sehr ernst oder gravierend
Dem WHI zufolge befindet sich ein Land, Somalia, in einer gravierenden Hungersituation. In den fünf Ländern Zentralafrikanische Republik, Tschad, Demokratische Republik Kongo, Madagaskar und Jemen ist die Hungersituation sehr ernst und wird in vier weiteren Ländern – Burundi, Komoren, Südsudan und Syrien – vorläufig als sehr ernst bewertet. Für 31 Länder wird das Ausmaß an Hunger als ernst und für weitere sechs Länder vorläufig als ernst eingestuft. Seit 2012 hat sich die Hungersituation in zehn Ländern mit mäßigen, ernsten oder sehr ernsten Hungerwerten verschlechtert, in manchen Fällen infolge ausbleibender Fortschritte, in anderen durch eine Verschlimmerung einer ohnehin prekären Situation. 14 Länder haben indes signifikante Verbesserungen ihrer jeweiligen Hungersituationen erreicht; ihre WHI-Werte sanken zwischen 2012 und 2021 um 25 Prozent oder mehr. Allerdings gibt es beim Ernährungszustand von Kindern selbst innerhalb von Landesgrenzen große Unterschiede, die durch nationale Durchschnittswerte verdeckt werden können.

Gewaltsame Konflikte verschärfen Hunger
Die Wechselwirkungen zwischen Hunger und Konflikt sind allgemein bekannt. Gewaltsame Konflikte beeinträchtigen fast jeden Bereich eines Ernährungssystems – von der Erzeugung bis hin zum Konsum. Zugleich kann eine erhöhte Ernährungsunsicherheit zu gewaltsamen
Konflikten beitragen. Solange Ernährungsunsicherheit besteht, ist eine nachhaltige Friedenssicherung kaum möglich, und ohne Frieden ist es unwahrscheinlich, den weltweiten Hunger zu beenden.

Die Wechselwirkung von Konflikt und Hunger zu durchbrechen, kann sowohl Ernährungssicherheit als auch Frieden fördern.

Es ist möglich, die destruktive Wechselwirkung zwischen Konflikt und Hunger zu durchbrechen und Resilienz aufzubauen, selbst inmitten von Konflikten und extremer Vulnerabilität. Gemeinsam können Staaten, Gemeinden, lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen sowie UN-Behörden Bedingungen für Ernährungssicherheit und nachhaltigen Frieden schaffen. Die wirksame Integration von Friedensförderung bei der Schaffung resilienter Ernährungssysteme und andererseits von Ernährungssicherheit bei der Friedensförderung erfordert, dass externe Akteure über fundierte Kenntnisse des jeweiligen Kontexts verfügen und mit Sensibilität für die anhaltenden Konflikte handeln. Lokal geführte Aktivitäten müssen gestärkt und jeweilige Bedenken sowie Ambitionen berücksichtigt werden. Dabei ist stets partnerschaftlich zu arbeiten. Die Finanzierung sollte flexibel und langfristig angelegt sein und sich an dynamische fragile und konfliktbetroffene Kontexte anpassen lassen. Nicht zuletzt ist es von entscheidender Bedeutung, dass Konflikte politisch gelöst und diejenigen, die Hunger als Kriegswaffe einsetzen, strafrechtlich
verfolgt werden.

Den vollständigen Bericht finden Sie hier.