Erklärung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zum US-amerikanischen Militärgefängnis Guantánamo, 10.1.2012
Kaum zwei Monate lagen zwischen der Aufforderung des damaligen US-Präsidenten George W. Bush an seinen Verteidigungsminister, einen „geeigneten Ort“ für die Inhaftierung von ausländischen Staatsangehörigen zu finden, die im Rahmendes sogenannten „Kriegs gegen den Terror“ festgenommen wurden, und dem Eintreffen der ersten 20 Häftlinge, die wie menschliche Fracht am 11. Januar 2002 auf den US-Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba gebracht wurden. Ein Jahrzehnt später hat man den Eindruck, dass das illegale Gefangenenlager förmlich im Handumdrehen ins Leben gerufen wurde.
Seine Schließung dagegen dauert deutlich länger. Hat es nur sieben Wochen gedauert, das Lager zu errichten, so beteuern die US-Behörden nun seit nahezu sieben Jahren, dass sie an der Schließung von Guantánamo arbeiten.
In seinen Memoiren verteidigt der ehemalige US-Präsident Bush seine Entscheidung zum Einrichten der Haftanstalt in Guantánamo. Gleichzeitig betont er, dass er zu Anfang seiner zweiten Legislaturperiode im Januar 2005 erkannt habe, dass die Inhaftierungen sich zu einem „Propagandawerkzeug für unsere Feinde und einer Irritation für unsere Verbündeten“ entwickelt habe. Seinen Angaben zufolge versuchte er daraufhin, „einen Weg zu finden, das Gefangenenlager zu schließen“. Falls tatsächlich von Präsident Bush oder seiner Regierung nach 2005 Versuche zur Schließung Guantánamos unternommen wurden, sind diese kläglich gescheitert. Am Ende seiner Amtszeit, am 20. Januar 2009, befanden sich noch immer etwa 245 Gefangene in Guantánamo.
Zwei Tage später verpflichtete der neu gewählte Präsident Barack Obama seine Regierung zur „umgehenden“ Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo, die spätestens zum 22. Januar 2010 erfolgen sollte. Dies, so sagte er, sei sowohl im außen- und sicherheitspolitischen Interesse der USA als auch im „Interesse der Gerechtigkeit“. Zu einem späteren Zeitpunkt sagte Obama, dass Guantánamo „ein Symbol“ geworden sei, „das al-Qaida dabei geholfen hat, Terroristen für ihre Sache zu rekrutieren“. Die US-Wählerschaft, so sagte er, hat zu einer neuen Vorgehensweise aufgerufen, „welche die Schließung des Gefangenenlagers in Guantánamo Bay als dringend notwendig erachtet“.
Wenn dem so ist, dann hat die Wählerschaft nicht das bekommen, wonach sie verlangt hat. Heute gibt es immer noch mehr als 150 Gefangene in Guantánamo. Das Land, dem es gelang, den ersten Menschen auf den Mond zu befördern, ist offensichtlich nicht in der Lage, eine Haftanstalt zu schließen, die von zwei US-Präsidenten als ernsthafte Schädigung für das Land bezeichnet wurde.
Die vollständige deutsche Übersetzung der Einleitung und des Fazits der Erklärung von Amnesty International finden Sie hier.
Die englische Originalfassung des Berichts in voller Länge finden Sie hier.