Ausgabe November 1994

Kerne und Kerneskerne:

Selbstbestimmung und Sezession. Herausforderung für die Staatengemeinschaft

1. Die überraschende Aktualität von 1919

Mit dem großen Aufatmen war es schnell vorbei. Schon erheben sich Stimmen, die der Blockkonfrontation nachtrauern. Deren Jahrzehnte lang schwer drückende Lasten, sei es das Damoklesschwert nuklearer Abschreckung mit all seinen Risiken, seien es die im Realsozialismus notfalls manu militari exekutierten „allgemeinen Gesetzmäßigkeiten" des Marxismus-Leninismus, werden flugs verdrängt. Post festum erscheint dann der globale Bipolarismus ins rosige Licht einer Machtkonstellation getaucht, die zumal in Europa politische Stabilität verbürgte. Seit es damit zu Ende ist, zerfiel nicht nur das, was früher das „sozialistische Lager" hieß, sondern setzte auch ein staatlicher Zerbröckelungsprozeß der Sowjetunion ein, der möglicherweise noch nicht an sein Ende gelangt ist. Und anstelle des raschen Übergangs zu einer stabilen europäischen Friedensordnung - vielen Politikern, Publizisten und manchen Politikwissenschaftlern zufolge eine Sache lediglich von ein paar Jahrensind alte und neue Formen von Gewalt, aggressivem Nationalismus, Kriegen und Bürgerkriegen freigesetzt worden, die beängstigend zunehmen. Hals über Kopf erklären Zeitgeist-Diagnostiker wie Hans-Magnus Enzensberger die „Aussichten auf den Bürgerkrieg" zum Signum unseres Zeitalters, wenn nicht gar zur Wiederkehr der angeblichen Normalität von Geschichte.

November 1994

Sie haben etwa 47% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 53% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo