1.7. - N a h e r O s t e n. Der israelische Außenminister Peres und der PLO-Vorsitzende Arafat versuchen bei einem mehrstündigen Treffen in der Nähe von Gaza, eine Vereinbarung über die Ausweitung der palästinensischen Autonomie fristgerecht zum 1. Juli d.J. fertigzustellen. Das Treffen bleibt jedoch erfolglos. Beide Seiten betonen die Bereitschaft zu weiteren Verhandlungen.
3.7. - U N O. Generalsekretär Boutros Ghali setzt sich in einer Rede vor dem Institut für Höhere Internationale Studien in Genf für eine Neubewertung des Mandats der Friedenstruppen der Vereinten Nationen ein. Die "Blauhelme" könnten ihre Aufgabe in den verschiedenen Krisenregionen nur mit einem eindeutig definierten Auftrag erfüllen. Dieser Auftrag dürfe die Neutralität der UNTruppen nicht in Frage stellen, müsse ihnen aber gleichzeitig Sicherheit und Würde garantieren. Vorgänge wie die Geiselnahme in Bosnien (vgl. "Blätter", 7/1995, S. 772) dürften sich nicht wiederholen. - Vom 5.-7.7. erörtern Fachleute aus den Mitgliedstaaten die Möglichkeiten für die Beseitigung von Landminen in vielen Teilen der Welt. In einem UN-Bericht heißt es, von diesem Problem seien derzeit 64 Länder betroffen. Die Zahl der dort verlegten Landminen mit einer Wirkungsdauer von ca. 50 Jahren werde auf 85 bis 110 Mio. geschätzt. - Am 12.7. wählen Generalversammlung und Sicherheitsrat in New York erstmals eine Frau in den Internationalen Gerichtshof (IGH), nach den Bestimmungen der Charta von 1945 das "Hauptrechtssprechungsorgan" der Vereinten Nationen. Den vakanten Sitz eines der 15 Mitglieder des Gerichts erhält die Britin Rosalyn Higgins, seit 1981 Professorin für Völkerrecht an der Universität London. - Am 25.7. beschuldigt das von den Vereinten Nationen eingesetzte Internationale Tribunal für das frühere Jugoslawien in Den Haag den bosnischen Serbenführer Karadzic, seinen Militärbefehlshaber Mladic sowie den kroatischen Serbenführer Martic des Verbrechens gegen die Menschlichkeit und erhebt Anklage. - Am 27.7. kündigt der Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen für das frühere Jugoslawien, der ehemalige polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki, demonstrativ seinen Rücktritt an. Mazowiecki schreibt an Generalsekretär Boutros Ghali, die Bosnien-Politik der internationalen Gemeinschaft sei von Mangel an Konsequenz und Mut gekennzeichnet und erlaube nicht, glaubwürdig vom Schutz der Menschenrechte zu sprechen.
4.7. - B r e m e n. Die Bürgerschaft wählt auf ihrer konstituierenden Sitzung mit 71 gegen 27 Stimmen den bisherigen sozialdemokratischen Bildungssenator Henning Scherf zum neuen Bürgermeister. Scherf, der Nachfolger von Klaus Wedemeyer (SPD) ist, steht an der Spitze einer Großen Koalition (vgl. "Blätter", 8/1995, S. 901). Vor der Bürgerschaftssitzung hatten Scherf und sein künftiger Stellvertreter und Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) die Koalitionsvereinbarung unterzeichnet. In der Landesregierung (8 Mitglieder) sind beide Parteien paritätisch vertreten.
- G r o ß b r i t a n n i e n. Die Unterhausfraktion der Konservativen Partei wählt John Major in London erneut zum Parteichef und bestätigt ihn damit im Amt des Premierministers. Von den 329 Abgeordneten stimmen 218 für Major und 89 für John Redwood, den einzigen Gegenkandidaten; 22 Abgeordnete enthalten sich der Stimme. Major war nach zunehmender innerparteilicher Kritik an seiner Europapolitik am 22.6. überraschend zurückgetreten, hatte jedoch gleichzeitig seine Wiederkandidatur angekündigt. Der Premierminister nimmt am 5.7. eine Kabinettsumbildung vor.
5.7. - J u g o s l a w i e n. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verlängert in New York die am 23. September v.J. beschlossene Lockerung der Sanktionen gegen die "Bundesrepublik Jugoslawien" (Serbien und Montenegro) um weitere 75 Tage bis zum 18. September d.J. (vgl. "Blätter", 7/1992, S. 773 und 11/1994, S. 1288) Die Entscheidung fällt mit 14 Stimmen; Rußland, das für eine völlige Aufhebung der Sanktionen eintritt, enthält sich der Stimme. - Am 6.7. verurteilt ein Sprecher der Vereinten Nationen einen vorangegangenen Luftangriff auf die muslimische Enklave von Bihac im Nordwesten Bosniens als eine flagrante Verletzung der durch den Sicherheitsrat festgelegten Flugverbotszone. Der Angriff sei "fast sicher" von serbischer Seite ausgegangen. - Am 8.7. beginnen die bosnischen Serben mit einer großangelegten Militäroperation in Ostbosnien. Die von den Vereinten Nationen zu Schutzzonen erklärten muslimischen Enklaven Srebrenica und Zepa werden vollständig erobert, die dort stationierten "Blauhelm"Soldaten ultimativ zum Abzug aufgefordert. Beobachter vor Ort bezeichnen den von den Serben angeordneten Abtransport der kroatischen Bevölkerung aus den eroberten Enklaven als "ethnische Säuberung". - Am 10.7. fordert der serbische Präsident Milosevic in einem Interview mit dem amerikanischen Nachrichtenmagazin "Time" die völlige Aufhebung aller Sanktionen gegenüber seinem Land. In einem solchen Fall werde er innerhalb von sechs Monaten für einen Frieden auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien sorgen. - Am 12.7. beginnt eine Serie von Krisensitzungen in verschiedenen Hauptstädten. In New York tagt mehrfach der UN-Sicherheitsrat, in Brüssel tritt der NATO-Rat zusammen, in London treffen sich die Generalstabschefs Frankreichs, Großbritanniens und der USA sowie die Bosnien-Kontaktgruppe, in Genf konferiert UN-Generalsekretär Boutros Ghali mit seinen wichtigsten Beratern. Auf Einladung von Premierminister Major findet am 21.7. in der britischen Hauptstadt eine Konferenz der 16 Staaten statt, die im Rahmen der Schutztruppe der Vereinten Nationen (UNPROFOR) mit friedenserhaltenden und humanitären Aktivitäten im Bosnienkonflikt engagiert sind. Auf einer abschließenden Pressekonferenz erklärt der britische Außenminister Rifkind, im Falle eines Angriffs auf die UNSchutzzone Gorazde sei mit einer massiven und "entschlossenen" Bestrafung der Aggressoren durch Luftschläge zu rechnen. Der Fall von Gorazde würde das Ende des UNPROFOR-Engagements bedeuten (vgl. "Dokumente zum Zeitgeschehen"). - Am 22.7. werden nach serbischen Artillerieangriffen auf Sarajevo Einheiten der "schnellen Eingreiftruppe" zum Schutz der bosnischen Hauptstadt in Marsch gesetzt. Bei einer Begegnung der Präsidenten Tudjman (Kroatien) und Izetbegovic (Bosnien) in der kroatischen Hafenstadt Split sagt Tudjman militärische Hilfe für Bosnien zu. Nach einem privaten Treffen der Islamischen Weltkonferenz in Genf heißt es, mehrere Mitgliedstaaten seien ebenfalls zur Militärhilfe gegenüber Bosnien bereit. - Am 21.7. einigt sich der NATO-Rat in Brüssel nach mehrtägigen vertraulichen Beratungen auf einen militärischen "Aktionsplan" der verschiedene Varianten für den Fall eines weiteren Vordringens der Serben in Richtung auf UN-Schutzzonen enthält. NATO-Flugzeuge hatten am 11.7. auf Anforderung der Vereinten Nationen eine serbische Panzereinheit am Rande von Srebrenica angegriffen. - Am 28.7. besetzen kroatische Truppen einige Städte im Grenzgebiet zwischen Bosnien und Kroatien und unterbrechen damit wichtige Versorgungsrouten der Serben. In Presseberichten heißt es, die kroatische Armee stehe zum Angriff auf die "Serbische Republik Krajina" bereit. 5.-8.7.-OSZE. Die Parlamentarische Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa tagt in der kanadischen Hauptstadt Ottawa. Vor den Abgeordneten aus den 53 Mitgliedstaaten kritisiert der ungarische Außenminister Kovacs als derzeitiger OSZE-Ratsvorsitzender den mangelnden politischen Willen der Regierungen bei der Unterstützung friedenserhaltender Maßnahmen. Kovacs fordert die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtung zur Bereitstellung von Truppen, Ausrüstung und finanziellen Mitteln. Auf Antrag der deutschen und der kanadischen Delegation wird beschlossen, eine OSZE-Wirtschafts-Charta auszuarbeiten. - Am 13.7. empfangen die Außenminister der "Troika" (Italien, Ungarn, Schweiz) in Wien Vertreter Ägyptens, Algeriens, Israels, Marokkos und Tunesiens zu einem Meinungsaustausch über vertrauensbildende Maßnahmen für den Mittelmeerraum. Der israelische Außenminister Peres erklärt, was in Europa seit Helsinki geschehen sei, könne für die Mittelmeerregion als Beispiel dienen.
6.7. - N o r d r h e i n - W e s t f a l e n. Der Landtag bestätigt auf seiner konstituierenden Sitzung in Düsseldorf den langjährigen Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) für eine weitere Legislaturperiode. Von den 220 abgegebenen Stimmen erhält Rau 129, auf den einzigen Gegenkandidaten, den CDU-Fraktionsvorsitzenden Helmut Linssen, entfallen 89 Stimmen. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit (zum Wahlergebnis vgl. "Blätter", 7/1995, S. 773 f.) hatte sich die SPD mit Bündnis 90/Die Grünen auf die Bildung einer Koalition geeinigt, Landesparteitage der beiden Parteien hatten dieser Koalition mit großer Mehrheit zugestimmt. Die Grünen übernehmen im Kabinett (12 Mitglieder) das Bau- sowie das Umweltressort. Stellvertreter von Rau wird Bauminister Michael Vesper.
- P o l e n / B R D. Bundeskanzler Kohl befürwortet in einer Rede vor dem Sejm (Parlament) in Warschau die Einbeziehung Polens in die Europäische Union. Ein solcher Beitritt sei jedoch "nicht über Nacht und auch nicht umsonst zu erreichen". Zwischen einer Aufnahme Polens in die NATO und in die EU bestehe ein "innerer Zusammenhang", beides müsse jedoch nicht zum gleichen Zeitpunkt erfolgen.
13.7. - E u r o p a r a t. Das Ministerkomitee nimmt Albanien als 35. und die Republik Moldau als 36. Mitglied in den Rat auf Vertreter beider Länder unterzeichnen in Straßburg gleichzeitig die Europäische Konvention für Menschenrechte.
17.7. - E U. Der amtierende spanische Ratsvorsitzende Solana und der russische Außenminister Kosyrew unterzeichnen ein "Interimsabkommen", das die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Rußland auf eine neue Basis stellt. Die Unterzeichnung der Vereinbarung war von Seiten der EU wegen des russischen Vorgehens in Tschetschenien mehrfach verschoben worden. Außenminister Kosyrew warnt auf einer Pressekonferenz vor einer kriegerischen Rhetorik im Zusammenhang mit dem Bosnienkonflikt. Wer militärische Optionen prüfe, müsse sich genau überlegen, ob er bereit sei, Krieg zu führen. Friedens- und Kriegsmissionen seien grundsätzlich unvereinbar.
- I r a k. Präsident Saddam Hussein verlangt in einer Rede zum 27. Jahrestag der Machtergreifung durch die Baath-Partei in Bagdad die Aufhebung der von den Vereinten Nationen gegen den Irak verhängten Sanktionen. Der Irak habe die Bedingungen des Sicherheitsrates erfüllt und erwarte jetzt ein Entgegenkommen der Vereinten Nationen.
- G U S. Die Präsidenten Kutschma (Ukraine) und Lukaschenko (Belarus) unterzeichnen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk einen Freundschaftsvertrag. Lukaschenko erklärt dazu, die enge Zusammenarbeit zwischen Belarus und Rußland solle "nicht zu Lasten der Ukraine gehen".
25.-26.7. - U S A. Der Senat in Washington verabschiedet nach zweitägiger kontroverser Debatte mit großer Mehrheit (69 gegen 29 Stimmen) eine Gesetzesvorlage, die Präsident Clinton verpflichten soll, das von den Vereinten Nationen gegen Jugoslawien verhängte Waffenembargo (vgl. "Blätter", 11/1991, S. 1284 f.) für BosnienHerzegovina einseitig aufzuheben. Clinton hatte vergeblich versucht, den Senatsbeschluß zu verhindern und dazu erklärt, die Annahme werde zu einem Rückzug der Vereinten Nationen und der NATO aus Bosnien führen.
30.7. - R u ß l a n d. Regierungsvertreter aus Moskau und Beauftragte des tschetschenischen Widerstandes unterzeichnen im Hauptquartier der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Grosny eine erste Vereinbarung (zum Beginn der Verhandlungen vgl. "Blätter", 8/1995, S. 902), die vier Punkte enthält. 1. Sofortige Einstellung der Kampfhandlungen; 2. Austausch der Gefangenen; 3. Stufenweiser Rückzug der russischen Truppen bei gleichzeitiger Entwaffnung der, bewaffneten illegalen Formationen; 4. Einstellung aller terroristischen Akte. In Presseberichten heißt es, über den politischen Status der transkaukasischen Republik solle erst nach den für den Herbst d.J. vorgesehenen Wahlen entschieden werden. Präsident Jelzin und Ministerpräsident Tschernomyrdin hatten am 5.7. eine völlige Unabhängigkeit Tschetscheniens noch einmal kategorisch ausgeschlossen. - Am 31.7. weist das Verfassungsgericht eine Klage gegen das Dekret des russischen Präsidenten über, Maßnahmen zur Beendigung der Aktivitäten von illegalen bewaffneten Formationen auf dem Gebiet der Republik Tschetschenien vom 9. Dezember v.J. zurück (vgl. "Blätter", 2/1995, S. 132 f.). Das Gericht bezeichnet das Dekret als verfassungskonform.