Vom Alibi zur kritischen Masse
Die Vision vom ungebrochenen Fortschritt der politischen und gesellschaftlichen Gleichstellung der Geschlechter erscheint vor dem Hintergrund von Globalisierung und Rückentwicklung des modernen Wohlfahrtsstaates zumindest in Frage gestellt. Angesichts der strukturellen Veränderungen des Arbeitsmarktes und des zunehmenden geschlechtsspezifischen Wohlstandsgefälles gilt innerhalb der Frauenforschung die Gefahr eines „backlash“ für die Frauen bzw. eine Retraditionalisierung der Geschlechterrollen als durchaus realistisch.
Jane S. Jaquette stellt sich mit ihrem Beitrag quer zu dieser Einschätzung: Eine globale Bestandsaufnahme führt sie zu dem Ergebnis, die politische Repräsentation von Frauen habe in den letzten 20 Jahren weltweit deutlich zugenommen. Dies werde, so die These der Autorin, in Zukunft eine deutliche Feminisierung des politischen Führungsstils ermöglichen. Als „kritische Masse“ seien Frauen in der Lage, der Politik eine neue Richtung zu geben und andere Prioritäten durchzusetzen, beispielsweise Umweltschutz- und Friedenspolitik sowie den Abbau der Deregulierungspolitiken. Jaquettes Beitrag erschien im Rahmen eines Themenschwerpunktes „Women in Power – Women in Poverty“ in der jüngsten Ausgabe der amerikanischen Zeitschrift „Foreign Policy“ (Fall 1997). Wir stellen ihre ungewöhnliche Sicht der Dinge in eigener Übersetzung zur Debatte.