2.11. - M e c k l e n b u r g - V o r p o m m e r n. Nach der Zustimmung von Sonderparteitagen beider Parteien unterzeichnen die führenden Landespolitiker von SPD und PDS in Schwerin eine Koalitionsvereinbarung für die nächste Legislaturperiode (vgl. "Blätter", 11/1998, S. 1286). - Am 3.11. wählt der Landtag Harald Ringstorff (SPD) mit 39 von 70 gültigen Stimmen zum neuen Ministerpräsidenten; die künftige Koalition verfügt über 47 Stimmen. Stellvertretender Regierungschef und Minister für Arbeit, Bau und Landesplanung wird Helmut Holter (PDS).
3.11. - S p a n i e n. Regierungschef Aznar kündigt die Aufnahme von Kontakten mit der "Umgebung" der baskischen Untergrundorganisation ETA an. Gesprächspartner solle das "Movimiento de Liberacion Nacional Vasco" (MLNV) sein, ein Parteienbündnis, dem auch Herri Batasuna angehört, die als politischer Arm der ETA gilt. Die Regierung wolle in den Sondierungen erkunden, ob der im September d.J. verkündete Waffenstillstand (vgl. "Blätter", 11/1998, S. 1286) definitiv sei und zu einem endgültigen Verzicht von Gewalt führen könne. - Am 6.11. beschließt der Ministerrat in Madrid, einen offiziellen Antrag auf Auslieferung des in London unter Arrest stehenden chilenischen Ex Präsidenten Pinochet an die spanische Justiz zu stellen (vgl. "Blätter", 12/1998, S. 1414).
7.11. - C D U. Die Christlich-Demokratische Union wählt auf einem Bundesparteitag in Bonn eine neue Führungsspitze. Nachfolger von Helmut Kohl als Parteivorsitzender (zum Rücktritt vgl. "Blätter", 11/1998, S. 1286) wird Wolfgang Schäuble, der den Vorsitz der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag beibehält. Für Schäuble votieren 93% der Delegierten, Kohl wird Ehrenvorsitzender. Das Amt der Generalsekretärin übernimmt Angela Merkel, Mitglied der Bundesregierung bis September d.J. und CDU-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern.
10.11. - E U. In Brüssel beginnen in sechs getrennten Zeremonien von je einer Stunde die offiziellen Verhandlungen zur "Osterweiterung" der Europäischen Union mit Estland, Polen, Slowenien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Zypern. Eine baldige Mitgliedschaft Zyperns wird im Hinblick auf die Teilung der Insel von Beobachtern als problematisch bezeichnet. Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel wendet sich Bundeskanzler Schröder am 26.11. gegen die Fixierung von Zieldaten für die Aufnahme neuer Mitglieder und setzt sich für einen fairen Interessen- und Lastenausgleich in der Union ein.
B u n d e s r e g i e r u n g. Bundeskanzler Schröder (zum Amtsantritt vgl. "Blätter", 12/1998, S. 1414) gibt vor dem Plenum des Bundestages die Regierungserklärung der von ihm geführten Koalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ab. Schröder bezeichnet die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als zentrales Ziel der künftigen Regierung. Am 23.11. veröffentlicht das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" ein Interview mit Bundesaußenminister Fischer. Der Minister teilt mit, er habe NATO-Generalsekretär Solana signalisiert, die Bundesregierung wolle innerhalb der Allianz auf eine Absenkung des Alarmstatus der atomaren Waffen und auf einen Verzicht auf den Ersteinsatz von Kernwaffen hinwirken. Die sicherheitspolitische Lage habe sich fundamental geändert, Deutschland sei von Freunden umgeben. Fischer fügt hinzu, er sei Realist genug, zu wissen, wie die Macht im Bündnis verteilt sei. Ein deutscher Sonderweg sei für ihn ausgeschlossen. Der amerikanische Verteidigungsminister Cohen erklärt nach einer Zusammenkunft mit dem neuen Bundesverteidigungsminister am 24.11. in Washington: "In unserer Diskussion erläuterte Herr Scharping die deutsche Position, insbesondere daß Deutschland nicht die Absicht hat, die Kernelemente der NATO-Strategie in Frage zu stellen, und daß Deutschland bereit ist, auch weiterhin seinen Beitrag zur Nuklearstrategie der NATO zu leisten. Ich begrüße diese Stellungnahme." - Am 27.11. teilt Bundeskanzler Schröder mit, die Bundesregierung werde trotz des von der Bundesanwaltschaft ausgestellten Haftbefehls keinen Auslieferungsantrag für den in Rom festgehaltenen Kurdenführer Öcalan stellen. Für die Bundesregierung habe der Rechtsfrieden in Deutschland Vorrang, man wolle keine gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den hier lebenden Türken. Nach einem Gespräch Schröders mit dem italienischen Ministerpräsidenten D'Alema in Bonn erklären beide Regierungschefs, man wolle sich gemeinsam darum bemühen, Öcalan vor einen internationalen oder einen europäischen Gerichtshof zu stellen. Außerdem werde eine Initiative auf europäischer Ebene angestrebt, die zur Lösung des Konflikts zwischen der Türkei und den Kurden beitragen solle.
S a a r l a n d. Der Landtag, in dem die alleinregierenden Sozialdemokraten über 27 Stimmen verfügen, wählt Reinhard Klimmt (SPD) zum neuen Ministerpräsidenten. Klimmt, der 27 Stimmen bei 24 Gegenstimmen erhält, ist Nachfolger von Oskar Lafontaine, der als Bundesfinanzminister nach Bonn wechselt.
11.11. - I r a k. UN-Generalsekretär Annan fordert während eines Besuches in Nordafrika den irakischen Präsidenten Hussein öffentlich auf, zur Zusammenarbeit mit der Sonderkommission für Abrüstung im Irak (UNSCOM) zurückzukehren. Annan drückt tiefe Besorgnis über die Beschlüsse der irakischen Führung vom 5. August und vom 31. Oktober d.J. aus (vgl. "Blätter", 10/1998, S. 1156 f. und 12/1998, S. 1414). Die USA verstärken ihre militärische Präsenz in der Golfregion, vorsorglich wird das Personal der Vereinten Nationen bis auf wenige Personen aus dem Irak evakuiert. - Am 12.11. rufen die Außenminister von acht arabischen Staaten auf einem Treffen in Ad-Dauha (Katar) den Irak zum Einlenken auf. Am 13.11. heißt es in einer Stellungnahme Saddams, der Irak habe kein Interesse an einer Konfrontation. Ziel des Irak sei es gewesen, Antworten auf seine berechtigten Forderungen zu erhalten. Der irakische Vizepräsident Aziz kündigt die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit den internationalen Rüstungsinspektoren an. Ein Brief an den UN-Generalsekretär enthält einen Anhang mit dem Titel "Irakische Perspektiven und Prioritäten für die Überprüfung der Sanktionen". In Presseberichten heißt es, Bagdad habe in letzter Minute eingelenkt und damit einen schon befohlenen unmittelbar bevorstehenden amerikanischen Militärschlag abgewendet. Am 15.11. kündigt der amerikanische Präsident Clinton verstärkte Bemühungen zum Sturz des irakischen Regimes an: "Wir wollen eine irakische Regierung, die ihr Volk vertritt und achtet, anstatt es zu unterdrücken... Dafür werden wir uns einsetzen." - Am 17.11. kehren die UNSCOM-Mitarbeiter in den Irak zurück und nehmen ihre Kontrolltätigkeit wieder auf.
N a h e r O s t e n. Nach langwierigen kontroversen Debatten und mehrfachen Terminverschiebungen stimmt das israelische Kabinett in Jerusalem dem "Memorandum von Wye" zu (vgl. "Blätter", 12/1998, S. 1412 f.), das den Rückzug Israels aus weiteren 13% der besetzten Gebiete vorsieht. Für das Abkommen mit den Palästinensern votieren nur acht der 17 Kabinettsmitglieder bei vier Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Die ersten israelischen Einheiten ziehen sich am 20.11. hinter die neuen Grenzen zurück. - Am 24.11. wird in Gaza in Anwesenheit von Präsident Arafat der erste Flughafen in den palästinensischen Autonomiegebieten eröffnet.
12.11. - J a p a n / R u ß l a n d. Ministerpräsident Obuchi trifft zum ersten offiziellen Besuch eines japanischen Regierungschefs seit 25 Jahren in Moskau ein. Thema der Gespräche ist u.a. der Territorialstreit um die von der Sowjetunion nach dem II. Weltkrieg besetzten Kurileninseln. Der russische Präsident Jelzin überreicht Obuchi einen neuen Vorschlag, der Japan zur gemeinsamen Nutzung des Archipels einlädt. In einer gemeinsamen Erklärung wird die Absicht angekündigt, den noch ausstehenden Friedensvertrag zwischen beiden Staaten bis zum Jahr 2000 abzuschließen. - C h i n a / K o r e a. Der südkoreanische Präsident Kim Dae Jung regt in einer Rede vor Studenten der Universität Peking die Bildung einer nordostasiatischen Sicherheitsorganisation an. Der Nordosten Asiens sei die einzige Region der Welt, in der es keine Zusammenarbeit der Staaten beim Erhalt des Friedens gebe.
13.11. - N A T O. Der Rat der Allianz billigt in Brüssel den Einsatzplan für eine Truppe zum Schutz der 2000 unbewaffneten OSZE-Beobachter in der jugoslawischen Provinz Kosovo (vgl. "Blätter", 12/1998, S. 1414 und S. 1507 ff.). Die Eingreiftruppe soll zwischen 1200 und 1800 Soldaten umfassen und im benachbarten Mazedonien stationiert werden. Vom 24.-25.11. erörtert der Militärausschuß der Allianz in Brüssel ein neues Strategiekonzept, das zum 50. Jahrestag der Gründung der NATO im April 1999 von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten verabschiedet werden soll. Der Vorsitzende des Gremiums, Bundeswehrgeneral Naumann, erklärt anschließend, wichtigste Aufgabe bleibe die gemeinsame Verteidigung. Die Militärs seien sich einig gewesen, daß die NATO ihre Atomwaffen weder abschaffen noch das Recht auf einen atomaren Erstschlag aufgeben dürfe. Die Möglichkeit eines Erstschlags verunsichere einen Gegner und sei ein wichtiges Element, um den Frieden zu erhalten und Konflikte zu verhindern. - B u n d e s t a g. Das Parlament stimmt einer Beteiligung der Bundeswehr an der NATO-Luftüberwachung im Kosovo zu. Die Entscheidung fällt in namentlicher Abstimmung mit 540 gegen 30 Stimmen bei zwölf Enthaltungen.
I t a l i e n / T ü r k e i. Bei der Einreise nach Italien wird der Führer der in der Türkei verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, auf dem Flughafen von Rom festgenommen. Öcalan, gegen den ein internationaler Haftbefehl vorliegt, kommt aus Moskau und beantragt politisches Asyl. Die Türkei fordert ultimativ die Auslieferung, was von Italien abgelehnt wird. Die Verfassung, so heißt es zur Begründung, verbiete die Auslieferung an Staaten, in denen die Todesstrafe noch nicht abgeschafft sei. Ein Appellationsgericht in Rom hebt am 20.11. die Haft gegen Öcalan zwar auf, verfügt aber mit Hinweis auf ein mögliches Auslieferungsbegehren der Bundesrepublik eine Aufenthaltsbeschränkung für den Kurdenführer. Der italienische Außenminister Dini verhandelt am 30.11. in Moskau mit Außenminister Iwanow über den Fall.
15.11. - J u g o s l a w i e n. Die serbische Führung stimmt erstmals Gesprächen mit den Kosovo-Albanern unter internationaler Beteiligung zu. In einer in Belgrad veröffentlichten Erklärung heißt es, an den geplanten Gesprächen könnten der amerikanische Sondergesandte Hill, die Botschafter Rußlands, Chinas, Österreichs sowie ein Vertreter der Europäischen Union teilnehmen. Am 18.11. veröffentlicht die albanischsprachige Zeitung "Koha Ditore" Auszüge aus einem von Hill ausgearbeiteten Friedensplan für den Kosovo. Der Plan sieht vor, den Kosovo unmittelbar an die Bundesrepublik Jugoslawien und weniger eng an Serbien anzubinden. Der serbische Präsident Milutinovic lehnt den Vorschlag ab, der "in vielen Aspekten der serbischen und jugoslawischen Verfassung" widerspreche. Die Kosovo-Albaner bezeichnen den Plan als Schritt in die richtige Richtung.
16.-17.11. - R u ß l a n d / B R D. Bundeskanzler Schröder führt in Moskau Gespräche mit der russischen Regierung und trifft auch mit Vertretern der Opposition zusammen. Der Bundeskanzler und Präsident Jelzin befürworten in einer gemeinsamen Erklärung die Fortsetzung der gegenseitigen engen Beziehungen. Schröder erklärt gegenüber seinen Gesprächspartnern, Rußland könne nicht mit weiteren rein deutschen Krediten rechnen. Die Bundesrepublik wolle sich jedoch im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und G7 für weitere Hilfsmaßnahmen einsetzen.
22.11. - A l b a n i e n. Die Bevölkerung stimmt dem Entwurf einer neuen Verfassung zu. Das landesweite Referendum wird von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beobachtet. Das vorläufige amtliche Endergebnis lautet: Wahlbeteiligung 50,6%, Zustimmung 93,5%.
25.11. - G r o ß b r i t a n n i e n. Fünf Lordrichter des Oberhauses stellen als oberste Instanz mit drei gegen zwei Stimmen fest, der in London festgehaltene ehemalige chilenische Präsident Pinochet genieße in Großbritannien keine Immunität vor Strafverfolgung und müsse bis zur Entscheidung über etwaige Auslieferungsanträge unter Arrest bleiben (vgl. "Blätter", 12/1998, S. 1414). Chile verlangt weiterhin die Freilassung Pinochets und beauftragt Außenminister Insulza mit entsprechenden Verhandlungen in London und Madrid.
T ü r k e i. Das Parlament entzieht der Drei-Parteien-Koalition unter Ministerpräsident Mesut Yilmaz mit großer Mehrheit (314 von 550 Stimmen) das Vertrauen. Die Koalition, die nur über 213 Stimmen verfügt, war bisher auf die Unterstützung einer Oppositionspartei angewiesen. Yilmaz (zum Amtsantritt vgl. "Blätter", 8/1997, S. 901 f.) wird der Verbindung zum organisierten Verbrechen beschuldigt. Die Verfassung schreibt die Neubildung einer Regierung innerhalb von 45 Tagen vor. Beobachter rechnen mit vorgezogenen Neuwahlen.
25.-30.11. - J a p a n / C h i n a. Präsident Jiang Zemin hält sich als erstes Staatsoberhaupt der VR China zu einem offiziellen Besuch in Japan auf. Der chinesische Präsident und der japanische Ministerpräsident Obuchi veröffentlichen eine gemeinsame Erklärung, in der es u.a. heißt, Japan sei sich der Verantwortung für das Leid, das es bei seiner Invasion Chinas von 1937 bis 1945 angerichtet habe, schmerzlich bewußt. Die von China geforderte Entschuldigung wird nicht ausgesprochen. Jiang meint dazu, es gebe in Japan weiterhin Leute, "auch in hohen Positionen", die die Geschichte verzerrten und die damalige Invasion in China beschönigten.