Ausgabe Juli 2002

Vom Schurkenstaat zum Gesprächspartner?

Iraks Versuche, einen Militärschlag zu vermeiden

Der Irak hat vorerst Zeit gewonnen: Der amerikanische Feldzug gegen das Regime Saddam Husseins ist zwar (noch) nicht abgesagt, er steht aber nicht mehr unmittelbar bevor. Prinzipiell setzt die Bush-Administration weiterhin auf die Option eines Regimewechsels im Irak. Doch die amerikanischen Energien sind seit dem Frühjahr 2002 durch die israelisch-palästinensische Krise gebunden, und auch die Afghanistan-Operation ist noch keineswegs erfolgreich abgeschlossen. Dies und die Bedenken der militärischen Führung, mit unzureichenden Kräften und ungenügender Vorbereitung in eine Auseinandersetzung mit Bagdad zu gehen, bremst jene Kräfte in der Administration, die auf ein massives militärisches Vorgehen gegen Bagdad setzen und diese Option möglichst rasch verwirklichen wollen. Schließlich zeigen auch die diplomatischen Aktivitäten der irakischen Regierung Wirkung - insbesondere die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Vereinten Nationen -, vor allem auf die regionale Umgebung, deren zumindest stillschweigende Unterstützung die USA für eine Militäraktion brauchen.

Für Europa wird es in den nächsten Wochen und Monaten darum gehen, transatlantisch und mit Partnern im Nahen und Mittleren Osten über Wege und Möglichkeiten nachzudenken, den Irak und die USA aus der Sackgasse herauszumanövrieren, in der die Politik beider Länder feststeckt.

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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