Im 21. Jahrhundert hat das organisierte Verbrechen auf dem Balkan etwas erreicht, was in früheren Jahrhunderten große Reiche vollbrachten – die Römer, Byzantiner, Osmanen, Habsburger und für kurze Zeit Hitlers Drittes Reich: die unzähligen rivalisierenden ethnischen Gruppen der Region zu zwingen, für ein gemeinschaftliches Ziel zusammenzuarbeiten. Der Unterschied liegt natürlich im Zwang und in den Anreizen. Frühere Reiche kombinierten dosierte Begünstigungen für Kooperationswillige mit roher Gewalt gegen jene, die Widerstand leisteten. Das Reich der organisierten Kriminellen setzt für seine Unternehmungen wie Drogenschmuggel und -verkauf, Frauenhandel und die grenzüberschreitende Schieberei von Schmuggelware auf einen zeitgemäßeren Anreiz – das Motiv Profit. Selbstverständlich wird auch Druck ausgeübt, sei es Erpressung unterschiedlichen Ausmaßes oder auch Mord. Das soll allerdings nicht heißen, das organisierte Verbrechen wäre wie Schopska-Salat ausschließlich eine Spezialität des Balkans. Vielmehr ist in diesen Zeiten der allgegenwärtigen Armut, der durch eine Serie von Bürgerkriegen hervorgerufenen physischen und sozialen Ruinen sowie der schwachen Zentralregierungen die organisierte Kriminalität zum größten Industriezweig der Region aufgestiegen.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.