Brief von Bundeskanzler Gerhard Schröder an Bundespräsident Horst Köhler vom 4. November 2004 (Wortlaut)
Am 4. November verkündete Finanzminister Hans Eichel offiziell den Plan der Bundesregierung, den Nationalfeiertag auf den ersten Sonntag im Oktober zu verschieben, um mit einem Tag Mehrarbeit das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Dies löste sofort starke öffentliche Reaktionen aus - von Entsetzen bis Erheiterung.
Noch am selben Tag schrieb Bundespräsident Köhler einen Brief an Bundeskanzler Schröder, der zeitgleich der Presse zuging. In dem Brief sprach er sich dafür aus, den 3. Oktober als Feiertag beizubehalten. Kanzler Schröder anwortete umgehend.
Bereits am 5. November erklärte der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering, dass die SPD den Vorschlag zur Verschiebung nicht weiter verfolgen werde. Der 3. Oktober bleibe als Einheitsfeiertag ein arbeitsfreier Tag.
Wir dokumentieren im Folgenden die beiden Briefe des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers. - D. Red.
Brief von Bundespräsident Horst Köhler an Bundeskanzler Gerhard Schröder vom 4. November 2004 (Wortlaut)
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
Sie haben mich gestern über die Absicht der Bundesregierung informiert, den Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober als gesetzlichen Feiertag abzuschaffen. Der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober trifft das Selbstverständnis unserer Nation. Dieser Nationalfeiertag ist wertvoll für unser Land. Wir ehren damit die demokratische Revolution von 1989 und drücken unsere Freude über die wiedergewonnene deutsche Einheit aus. Der 3. Oktober als Symbol für die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit ist wichtig für die Zukunft unseres Landes und sollte erhalten bleiben. Ich sehe Ihre Entscheidung mit Sorge. Es können überzeugendere Wege gefunden werden, um auch durch einen zusätzlichen Arbeitstag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen beizutragen. In dieser Frage sollte ein breiter gesellschaftlicher Konsens hergestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Horst Köhler
Brief von Bundeskanzler Gerhard Schröder an Bundespräsident Horst Köhler vom 4. November 2004 (Wortlaut)
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
vielen Dank für Ihren Brief vom heutigen Tage. Ich stimme mit Ihnen darin überein, daß der Nationalfeiertag für unser Land ein sehr wichtiger, wertvoller Tag ist. Unser Land muß die Möglichkeit haben, seine Freude über die wiedergewonnene deutsche Einheit ausdrücken zu können und den Tag zu nutzen, an die friedliche Revolution zu erinnern. Deshalb soll dieser Feiertag auch nicht abgeschafft werden, sondern am jeweils ersten Sonntag im Oktober stattfinden. Diese Botschaft ist mir wichtig: der Nationalfeiertag bleibt bestehen.
Gleichwohl ist es nach meiner Überzeugung notwendig, die Zahl der gesetzlichen Feiertage zu reduzieren - nicht zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung, sondern um zusätzliche Wachstumsimpulse zu setzen. Wir alle wissen, daß es die deutsche Einigung war, die unserer Volkswirtschaft große finanzielle Lasten aufgebürdet hat. Wir dürfen in unseren Bemühungen bei der Vollendung der Einheit nicht nachlassen. Dazu bedarf es aber auch einer nationalen Kraftanstrengung. In diesem Zusammenhang stellt der zusätzlich gewonnene Werktag einen wichtigen Beitrag dar.
Ich habe großes Verständnis für Ihren Wunsch nach einem breiten gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage. Wenn Sie auf überzeugendere Wege hinweisen, will ich mich der Diskussion darüber nicht verschließen.
Mit freundlichen Grüßen,
Gerhard Schröder