Dokumente zum Zeitgeschehen

»Keine konkreten Fortschritte«

Bericht der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO) zu Deutschland, 28.11.2012

I. Einleitung

1. Der Evaluierungsbericht der Dritten Runde über Deutschland wurde von GRECO auf ihrer 45. Vollversammlung (4. Dezember 2009) verabschiedet und nach Freigabe durch Deutschland am 4. Dezember 2009 veröffentlicht (Greco Eval III Rep (2009) 3E).

2. Wie in der GRECO-Geschäftsordnung vorgeschrieben, legte Deutschland einen Sachstandsbericht zu den Maßnahmen vor, die zur Umsetzung der Empfehlungen ergriffen wurden. GRECO wählte Österreich und die Russische Föderation zur Benennung von Berichterstattern für das Umsetzungsverfahren aus. Als Berichterstatter wurden Herr Aslan JUSUFOV für die Russische Föderation und Herr Christian MANQUET für Österreich benannt. Bei der Erstellung des Umsetzungsberichts wurden sie durch das GRECO-Sekretariat unterstützt.

3. In dem Umsetzungsbericht, der von GRECO auf ihrer 53. Vollversammlung (Straßburg, 5.-9. Dezember 2011) verabschiedet wurde, wurde festgestellt, dass Deutschland nur vier der zwanzig Empfehlungen im Evaluierungsbericht der Dritten Runde zufriedenstellend umgesetzt oder abgearbeitet hat. Angesichts dieses Ergebnisses bezeichnete GRECO den sehr geringen Grad der Umsetzung der Empfehlungen als „allgemein unbefriedigend“ („globally unsatisfactory“) im Sinne von Artikel 31 Absatz 8.3 der Geschäftsordnung. GRECO beschloss daher, Artikel 32 anzuwenden, der Mitglieder betrifft, bei denen festgestellt wurde, dass sie die im Evaluierungsbericht enthaltenen Empfehlungen nicht umgesetzt haben, und bat den Leiter der deutschen Delegation, nach Absatz 2 Ziffer i dieses Artikels bis spätestens 30. Juni 2012 einen Bericht über die Fortschritte bei der Erfüllung der noch nicht umgesetzten Empfehlungen (d.h. der Empfehlungen i und iii-x zum Thema I und der Empfehlungen ii-v, vii, viii und x zum Thema II) vorzulegen.

4. Im vorliegenden Vorläufigen Umsetzungsbericht wird die weitere Erfüllung der noch nicht umgesetzten Empfehlungen seit der Verabschiedung des Umsetzungsberichts beurteilt und eine Gesamtbewertung des Grades der Umsetzung dieser Empfehlungen durch Deutschland vorgenommen.

II. Analyse

Kriminalisierung

5. Es sei daran erinnert, dass GRECO in ihrem Evaluierungsbericht in Bezug auf Thema I an Deutschland 10 Empfehlungen gerichtet hat. Eine davon – Empfehlung ii – wurde im Umsetzungsbericht als zufriedenstellend umgesetzt gewürdigt; die übrigen Empfehlungen wurden als nicht umgesetzt angesehen.

[...]

9. GRECO stellt fest, dass die Lage seit der Verabschiedung des Umsetzungsberichts nahezu unverändert geblieben ist. Die einzige neue Entwicklung, die in der Zwischenzeit verzeichnet wurde, betrifft die in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe zur Erweiterung der Kriminalisierung der Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten nach § 108e StGB (Punkte, die in den Empfehlungen iii und iv angesprochen wurden) und die Anhörung dazu; diese Gesetzentwürfe wurden von Oppositionsfraktionen und einzelnen Bundestagsmitgliedern eingebracht, und zwei der Entwürfe hatten dem Bundestag bereits vor der Verabschiedung des Umsetzungsberichts vorgelegen. GRECO fordert die Behörden nachdrücklich auf, ihre Bemühungen zur Änderung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften gemäß den Empfehlungen iii bis x zu verstärken und die Ratifikation des Strafrechtsübereinkommens über Korruption sowie des Zusatzprotokolls dazu zügig voranzutreiben.

10. GRECO kommt zu dem Schluss, dass die Empfehlungen i und iii bis x nach wie vor nicht umgesetzt wurden.

Transparenz der Parteienfinanzierung

11. Es sei daran erinnert, dass GRECO in ihrem Evaluierungsbericht in Bezug auf Thema II an Deutschland 10 Empfehlungen gerichtet hat. Im Umsetzungsbericht wurden die Empfehlungen i und vi als zufriedenstellend umgesetzt und Empfehlung ix als in zufriedenstellender Weise behandelt gewürdigt. Die Empfehlungen ii, iii, iv, v, viii und x wurden als teilweise umgesetzt und die Empfehlung vii als nicht umgesetzt angesehen.

[...]

III. Schlussfolgerungen

19. Nach alledem kommt GRECO zu dem Schluss, dass Deutschland bei der Umsetzung der Empfehlungen, die im Umsetzungsbericht der Dritten Evaluierungsrunde für nicht oder nur teilweise umgesetzt befunden wurden, keine konkreten Fortschritte gemacht hat. Im Hinblick auf Thema I – Kriminalisierung wurden nach wie vor die Empfehlungen i und iii-x nicht umgesetzt. Im Hinblick auf Thema II - Transparenz der Parteienfinanzierung wurden nach wie vor die Empfehlungen ii, iii, iv, v, viii und x nur teilweise und die Empfehlung vii nicht umgesetzt.

20. GRECO bedauert dieses Ergebnis, auch wenn zu einigen der von den Empfehlungen berührten Themen eine parlamentarische Debatte stattgefunden hat. Dennoch sind bisher keine konkreten Maßnahmen auf den Weg gebracht worden. GRECO wiederholt zwar ihre Aussage aus dem Umsetzungsbericht, dass sie den insgesamt hohen Standard, den Deutschland bei der Korruptionsbekämpfung gesetzt hat, anerkennt, bedauert jedoch sehr, dass Deutschland noch immer eines der wenigen GRECO-Mitglieder ist, die das Strafrechtsübereinkommen über Korruption und das Zusatzprotokoll dazu nicht ratifiziert haben, und dass seit der Verabschiedung des Evaluierungsberichts keine nennenswerten Schritte unternommen wurden, um notwendige Änderungen des Strafgesetzbuchs im Einklang mit den GRECO-Empfehlungen vorzubereiten. GRECO möchte erneut darauf hinweisen, dass die im deutschen Korruptionsstrafrecht festgestellten Defizite – wie die begrenzte Strafbarkeit der Bestechung von Abgeordneten und anderen Mitgliedern inländischer öffentlichrechtlicher Vertretungskörperschaften in Verbindung mit dem Fehlen des Straftatbestandes der missbräuchlichen Einflussnahme sowie darüber hinaus bestimmte Grenzen der Strafbarkeit der Bestechung ausländischer und internationaler Amtsträger und der Bestechung im Geschäftsverkehr – erhebliche Rechtslücken darstellen. Was die Transparenz der politischen Finanzierung angeht, hat GRECO weiterhin starke Bedenken wegen der sehr begrenzten Aufmerksamkeit, die einige Empfehlungen zu Fragen von hoher Wichtigkeit erfahren haben, wie beispielsweise die Einführung eines Systems für die frühzeitige Veröffentlichung von Rechenschaftsberichten zu Wahlkämpfen, die Verbesserung der Transparenz direkter Spenden an Abgeordnete und Wahlkandidaten, die Parteimitglieder sind, und die weitere Verstärkung der Ressourcen, die dem Bundestagspräsidenten zur Überwachung der Parteienfinanzierung zur Verfügung stehen.

21. Nach alledem kommt GRECO zu dem Schluss, dass der gegenwärtige Grad der Umsetzung der Empfehlungen weiterhin „allgemein unbefriedigend“ („globally unsatisfactory“) im Sinne von Artikel 31 Absatz 8.3 der Geschäftsordnung ist.

22. Gemäß Artikel 32 Absatz 2 Ziffer ii beauftragt GRECO ihren Präsidenten, den Leiter der deutschen Delegation in einem Schreiben, das nachrichtlich auch an den Präsidenten des Satzungsausschusses geht, darauf hinzuweisen, dass die betreffenden Empfehlungen nicht umgesetzt wurden und entschlossenes Handeln nötig ist, um möglichst bald konkrete Fortschritte zu erzielen.

23. Nach Artikel 31 Absatz 8.2 (revidiert) der Geschäftsordnung fordert GRECO den Leiter der deutschen Delegation auf, bis zum 31. Juli 2013 einen Bericht über die Schritte vorzulegen, die zur Umsetzung der noch nicht umgesetzten Empfehlungen (d.h. Empfehlungen i und iii-x zum Thema I, und Empfehlungen ii-v, vii, viii und x zum Thema II) unternommenen wurden. 

24. Abschließend bittet GRECO die deutschen Behörden, die Veröffentlichung des vorliegenden Berichts so bald wie möglich zu genehmigen, ihn in die Landessprache zu übersetzen und diese Übersetzung zu veröffentlichen.

Den vollständigen Bericht finden Sie hier (pdf).