Dokumente zum Zeitgeschehen

»In Kindertagesbetreuung investieren, Ehegattensplitting deckeln«

Ergebnisse der Gesamtevaluation familienbezogener Leistungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), des ifo Instituts und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Bundesregierung, 1.10.2013

Mit der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen „Gesamtevaluation ehe- und familienbezogener Leistungen“ wurden erstmals zentrale Instrumente der deutschen Familienpolitik systematisch und umfassend evaluiert. Dabei wurden folgende familienpolitische Ziele vorgegeben: die Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität der Familien, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die frühe Förderung von Kindern, die Erfüllung von Kinderwünschen und der Nachteilsausgleich zwischen den Familien. Die Gesamtschau der Ergebnisse der Evaluationsstudien des DIW Berlin, ifo und ZEW zeigt, dass primär eine Maßnahme heraussticht, mit der keine familienpolitischen Zielkonflikte verbunden sind. Dies ist die öffentliche Finanzierung der Kindertagesbetreuung. In sie sollte weiter investiert werden – die bisherige Elternbeteiligung sollte zunächst beibehalten und für Verbesserungen der Qualität verwandt werden. Auch das Elterngeld verursacht kaum Zielkonflikte und sollte so weiterentwickelt werden, dass es mehr Anreize für eine partnerschaftliche Arbeitsteilung setzt. Finanzieller Spielraum könnte durch eine Reform des Ehegattensplittings hin zu einem gedeckelten Realsplitting gewonnen werden. Aufgrund relativ schwacher Effekte des Kindergeldes auf die analysierten Ziele sollte von einer Erhöhung dieser Leistung abgesehen werden.

Familienpolitik ist Zukunftspolitik – zumindest wenn die familienpolitischen Leistungen die Familien, Kinder und Eltern tatsächlich erreichen und zielgenau unterstützen.

In Deutschland fehlte eine systematische Evaluation dieser Leistungen bislang, obwohl die öffentliche Hand für die zahlreichen familienpolitischen Instrumente jährlich rund 200 Milliarden Euro ausgibt (Tabelle). Die 2009 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und Bundesministerium der Finanzen (BMF) gemeinsam in Auftrag gegebene Gesamtevaluation ehe- und familienbezogener Leistungen sollte diese Lücke schließen. 

In insgesamt elf Arbeitsmodulen wurden die Wirkungen der zentralen Leistungen einzeln und in der Zusammenschau vor allem auf fünf unterschiedliche von der Familienpolitik definierte Ziele analysiert: die Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität der Familien, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die frühe Förderung von Kindern, die Erfüllung von Kinderwünschen und der Nachteilsausgleich zwischen den Familien.[1] Mit dieser klaren Fokussierung auf einen politisch vorgegeben Zielkatalog können der Zielerreichungsgrad untersucht und Zielkonflikte erkannt werden.

Zur umfassenden Gesamtschau gehörten neben den Wirkungsanalysen und der Untersuchung möglicher Zielkonflikte auch Effizienzanalysen, die auf die relative Wirksamkeit von Leistungen im Hinblick auf bestimmte Ziele sowie ihre Kosten-Nutzen-Relation abstellen.[2] 

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), das ifo Institut (ifo) und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) waren an mehreren Modulen der Gesamtevaluation beteiligt.[3] Die Einzelstudien suchen empirisch fundiert nach Ursache- Wirkungs-Beziehungen. Sie unterscheiden sich in den untersuchten Leistungen und Zielgrößen und damit auch in den verwendeten Methoden und Daten.[4] Der Methodenpluralismus ist eine Stärke der Gesamtevaluation. Er liefert eine Bandbreite von Resultaten, welche die externe Validität der Studienergebnisse erhöht und letztlich eine verlässlichere Basis für eine evidenzbasierte Politikberatung bildet.

Angesichts der vielfältigen Teilstudien und untersuchten Leistungen, aber auch der Verschiedenartigkeit der überprüften familienpolitischen Ziele, lassen sich die Ergebnisse unserer Teilstudien wie auch die der Gesamtevaluation nicht auf eine einfache Formel bringen. In der Zusammenschau der Wirkungsanalysen durch DIW Berlin, ifo und ZEW zeichnen sich aber einige klare Linien ab. Auf dieser Grundlage ergeben sich unsere folgenden gemeinsamen Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der deutschen Familienpolitik in den kommenden Jahren (Kasten 1).

Die vollständige Studie finden Sie hier (pdf).

 

[1] Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Ziele der nachhaltigen Familienpolitik. Ristau-Winkler, M. (2005): Der ökonomische Charme der Familie. Aus Politik und Zeitgeschichte 23–24, 16–23. Ein sechstes Ziel war der Zusammenhalt zwischen den Generationen, dem bei der Evaluation aber eher eine untergeordnete Bedeutung zukam. Das familienpolitische Ziel der Wahlfreiheit war nicht Teil des familienpolitischen Zielkatalogs, wie er für die Gesamtevaluation definiert wurde. Vielmehr handelt es sich hier um ein Ziel, das unter der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder formuliert wurde.

[2] Zur Vorbereitung der Gesamtevaluation wurde eine Machbarkeitsstudie vergeben, die weitere, auch methodische Ziele der Evaluation systematisch zusammenfasst. Vgl. dazu Beninger, D., H. Bonin, M. Clauss, H. Hofmann, J. Horstschräer, S. Munz, C. K. Spieß, M. Werding und K. Wrohlich (2008): Machbarkeitsstudie zur stufenweisen Gesamtevaluation des Gesamttableaus ehe- und familienbezogener Leistungen in Deutschland. Studie im Auftrag der Prognos AG.

[3] Dafür haben sich alle drei Institute in öffentlichen Ausschreibungsverfahren qualifiziert.

[4] Im Rahmen der Gesamtevaluation wurden auch Studien vergeben, die einen psychologischen, juristischen, politikwissenschaftlichen oder auch soziologischen Blickwinkel einnahmen.