Bericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zur sozialen Lage älterer Gastarbeiter, September 2014
Heute jährt sich die Ankunft des einmillionsten Gastarbeiters in Deutz zum 50. Mal. Der zufällig ausgewählte Portugiese und sein Moped wurden zum Symbol des Gastarbeiters schlechthin. Trotz erster kritischer Stimmen schien die damalige Anwerbepolitik nur Gewinner zu kennen: Den deutschen Arbeitgebern sicherten sie Produktion und Gewinne, den deutschen Arbeitnehmern erleichterten sie den Aufstieg. Die Gastarbeiter selbst würden in kurzer Zeit viel Geld verdienen und als gemachte Männer heimkehren. Die Anwerbeländer erhofften sich einen Import von Know-how und dringend benötigte Devisen für den Ausgleich der defizitären Zahlungsbilanz gegenüber der Bundesrepublik.
Bis Anfang der 1970er Jahre war die Wohnsituation der angeworbenen Ausländer außerordentlich schlecht. Auf dem Arbeitsmarkt besetzten sie die untersten Lohngruppen, so dass ihre Stundenlöhne unter denen der deutschen Arbeitnehmer lagen. Bis Anfang der 1970er Jahre gelang es ihnen, diesen Nachteil durch Überstunden und Zulagen für Schwerstarbeit soweit zu kompensieren, dass ihr durchschnittlicher Monatslohn nur wenig unter dem der Deutschen lag. Die industrielle Krise seit Mitte der 1970er erschwerte ihre Situation jedoch zunehmend.
Heute ist klar, dass der Plan nicht aufgegangen ist. Sicherlich sind tatsächlich viele Gastarbeiter zurückgekehrt und einige konnten mit dem Geld im Heimatland eine Existenz aufbauen. Andere sind hier geblieben und Teil der deutschen Gesellschaft geworden. Die vorgelegten Analysen zeigen aber, dass sich die komplexe Wirklichkeit im Großen und Ganzen nicht an die einfachen Pläne gehalten hat, die der Anwerbepolitik zugrunde lagen. Zumindest jene Gastarbeiter, die blieben, bildeten bald dauerhaft die Unterschicht im Arbeits- und Wohnungsmarkt. Heute haben sie das Rentenalter erreicht. Ihre Renten liegen weit unter denen gleichaltriger Deutscher und ihr Armutsrisiko ist enorm hoch. Die Wohnsituation hat sich im Vergleich zu den 1960er Jahren zwar deutlich gebessert, es besteht aber weiterhin eine erhebliche Lücke zu den Deutschen. Gesellschaftlich sind viele der ehemaligen Gastarbeiter immer noch ganz unten.
Wenngleich damit im Laufe der Jahrzehnte absolute Wohlfahrtsgewinne verbunden waren, so zeigen die Analysen zur gegenwärtigen sozialen Lage der ehemaligen Gastarbeiter, dass diese auch im Alter am unteren Rand der Gesellschaft überrepräsentiert sind. Wer also die Einwanderungspolitik für wirtschaftspolitische Zielsetzungen wie den Ausgleich von Zahlungsbilanzen instrumentalisieren will, sollte bedenken, dass die Folgen einer solchen Politik sich auch dann noch entfalten, wenn das zugrunde liegende ökonomische Problem längst vergessen ist.
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