Zusammenfassung einer Studie der OECD zu internationaler Migration, 1.12.2014
Wichtigste Entwicklungen
Vorläufigen Daten für 2013 zufolge hat bei der dauerhaften Zuwanderung in den OECD‐Raum wieder eine Zunahme eingesetzt. Im Vergleich zu 2012 ist sie mit 1,1% auf rd. 4 Millionen dauerhafte Neuzuwanderer etwas angestiegen. Dieser leichte Anstieg ist die Folge entgegengesetzter Veränderungen in mehreren großen Einwanderungsländern. Die Anzahl der Zuwanderer nach Deutschland ist im vierten Jahr in Folge gestiegen, und zwar im zweistelligen Bereich. Im Gegensatz dazu waren in mehreren großen Einwanderungsländern rückläufige Zuwanderungszahlen zu beobachten, insbesondere in den Vereinigten Staaten, Italien, Portugal und Spanien. Der Wanderungssaldo liegt zwar noch weit unter dem Vorkrisenniveau, in den meisten OECD‐Ländern weist er aber nach wie vor ein positives Vorzeichen auf. Nennenswerte Ausnahmen bilden Mexiko, Island und Irland.
Der Wiederanstieg der dauerhaften Zuwanderung ist vor allem auf eine Zunahme der Migration im Rahmen von Freizügigkeitsregelungen zurückzuführen, die 2012 einen Zuwachs von 10% verzeichnete. In den OECD‐Ländern betrifft das Migrationsgeschehen im Rahmen von Freizügigkeitsregelungen hauptsächlich die Zu‐ und Abwanderung von Personen zwischen EU‐Mitgliedstaaten. Im Jahr 2012 entsprach das Wanderungsgeschehen innerhalb Europas zum ersten Mal der legalen dauerhaften Zuwanderung von außerhalb Europas. Deutschland war das wichtigste Zielland – es nahm nahezu ein Drittel aller freizügigkeitsberechtigten Zuwanderer auf.
Insgesamt entfällt der größte Teil des Migrationsgeschehens in den OECD‐Ländern jedoch trotz eines seit 2008 festzustellenden Abwärtstrends nach wie vor auf den Familiennachzug. 2012 ging der Familiennachzug gegenüber dem Vorjahr um 1,7% zurück, was hauptsächlich durch Rückgänge in Spanien, Italien, den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und Belgien bedingt war. Die Arbeitsmigration ist seit dem Wirtschaftsabschwung ebenfalls kontinuierlich zurückgegangen und sank 2012 um 12%. Der Rückgang war im Europäischen Wirtschaftsraum besonders bemerkenswert, wo die Arbeitsmigration zwischen 2007 und 2012 um nahezu 40% abgenommen hat. Infolgedessen war die legale dauerhafte Migration aus Drittstaaten nach Europa 2012 erstmals etwas niedriger als die legale dauerhafte Zuwanderung in die Vereinigten Staaten.
Im Gegensatz zur dauerhaften Migration verharrte die zeitlich befristete Migration unter ihrem 2007 erreichten Höchstwert von 2,5 Millionen. 2012 belief sie sich auf 1,9 Millionen, was etwa um ein Viertel unter dem Wert von 2007 lag.
Auf Grund des Konflikts in Syrien stieg die Zahl der Asylgesuche 2013 um 20% auf 560 000 Anträge. Die Zahl der Asylanträge erhöhte sich in Deutschland im sechsten Jahr in Folge, so dass Deutschland mit 110 000 Asylbewerbern zum weltweit größten Aufnahmeland wurde, gefolgt von den Vereinigten Staaten, Frankreich, Schweden und der Türkei. In Relation zur Einwohnerzahl nahm Schweden die meisten Asylbewerber und Flüchtlinge auf.
Die Migration von internationalen Studierenden steht in vielen OECD‐Ländern weiterhin im Blickpunkt der Politik. 2012 waren weltweit 4,5 Millionen Studierende an Hochschulen außerhalb des Landes ihrer Staatsangehörigkeit eingeschrieben, wobei 75% in einem OECD‐Land immatrikuliert waren. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben, wenngleich sich das Wachstum verlangsamt hat. Die Zahl der internationalen Studierenden nahm 2012 in den OECD‐Ländern nur um 3% zu, was deutlich unter dem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 8% zwischen 2000 und 2005 und 6% zwischen 2005 und 2011 lag.
In die Arbeitsmarktintegration der Zuwanderer investieren
Den Zuwanderern der ersten und der zweiten Generation kommt zunehmende Bedeutung in der Erwerbsbevölkerung zu. In den klassischen Einwanderungsländern, wie Australien, Kanada, Neuseeland und den Vereinigten Staaten, ebenso wie in Westeuropa sind Zuwanderer Teil der Gesellschaft. In anderen Ländern, etwa in Südeuropa, ist die zunehmende Präsenz von Zuwanderern im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt dagegen ein neueres Phänomen.
Die Integration von Zuwanderern und ihren Familien ist in vielen OECD‐Ländern in den letzten 15 Jahren zu einem vorrangigen Ziel der Politik avanciert. Die vielleicht wichtigste Herausforderung ist die Frage, wie das gesamte Kompetenzpotenzial von Zuwanderern erschlossen werden kann. Eine Reihe von Politikkonzepten kann hier einen Beitrag leisten:
• Informationen über ausländische Qualifikationen verbreiten und deren Anerkennung verbessern,
• Zugang der Zuwanderer zu Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sicherstellen und gewährleisten, dass sie davon profitieren,
• Zuwanderer in direkten Kontakt mit Arbeitgebern bringen,
• qualitativ hochwertige frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung für Zuwandererkinder anbieten und
• Sprachkurse anbieten, die an die Kompetenzen von Zuwanderern angepasst sind.
Intelligente Systeme zur Steuerung der Arbeitsmigration entwickeln
Wenngleich die Arbeitslosigkeit in den OECD‐Ländern nach wie vor hoch ist, kommt der Migration bei der Deckung des Arbeitskräftebedarfs und als Antriebskraft des Wirtschaftswachstums weiterhin eine Rolle zu. Diese Rolle unterscheidet sich in den einzelnen Ländern zwar erheblich, es ist aber ein gemeinsames Ziel, die Bedingungen für eine „bessere“ Arbeitsmigration zu schaffen, insbesondere vor dem Hintergrund der kritischen Beobachtung durch die Öffentlichkeit.
Die Arbeitsmigrationspolitik kann genutzt werden, um unterschiedliche und manchmal im Widerstreit stehende Ziele zu erreichen. Zu diesen Zielen können die Deckung des kurzfristigen Arbeitskräftebedarfs und ein Beitrag zur langfristigen Entwicklung der Bevölkerung und der Erwerbsbevölkerung gehören. Ziele können auch im Hinblick auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung in Bereichen wie Investitions‐ und Handelspolitik, Innovation und Produktivität sowie Entwicklungszusammenarbeit bestehen. Durch diese Politikziele kann es zu inhärenten Zielkonflikten kommen, die politischen Akteure in den verschiedenen Bereichen sollten daher koordiniert vorgehen, um die Politikkohärenz zu gewährleisten.
Verschiedenste Instrumente können eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass die Arbeitsmigration die Politikziele erfüllt. Sie reichen von zahlenmäßigen Begrenzungen der Zuwanderung bis zur „punktebasierten“ Auswahl potenzieller Migranten und einer Vielzahl anderer Möglichkeiten. Flexibilität ist bei der Nutzung dieser Instrumente wichtig, um zu gewährleisten, dass ein dynamisches und reaktionsfähiges System zur Steuerung der Arbeitsmigration entwickelt wird. Eine Reihe von Politikkonzepten kann dazu beitragen, dass die Arbeitsmigration dem aktuellen und künftigen Kompetenzbedarf besser Rechnung trägt:
• Ein klares Regelwerk für die Arbeitsmigration entwickeln,
• das Politikinstrumentarium so ausgestalten, dass eine Reihe von Instrumenten für verschiedene Ziele zur Verfügung steht,
• die Steuerung der Zulassungskriterien verbessern und die Migrationssteuerung dynamisch ausrichten, und
• die Dienstleistungsinfrastruktur modernisieren.
Schlüsseldaten
• Vorläufigen Daten zufolge hat die dauerhafte Zuwanderung in den OECD‐Raum im Jahr 2013 um rd. 1% gegenüber 2012 zugenommen, während sie 2012 um 0,8% gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen war.
• Die Arbeitsmigration hat seit dem Wirtschaftsabschwung kontinuierlich abgenommen und sank 2012 um rd. 12%. Dagegen stieg die Migration im Rahmen von Freizügigkeitsregelungen um 10%.
• Die Zahl der Asylbewerber nahm 2013 gegenüber 2012 um 20% zu.
• Die Zahl der Studierenden, die an Hochschulen außerhalb des Landes ihrer Staatsangehörigkeit eingeschrieben sind, hat sich weltweit seit 2000 mehr als verdoppelt und erreichte 2012 einen Wert von 4,5 Millionen, wobei 75% in einem OECD‐Land eingeschrieben waren.
• Mit etwas mehr als einer halben Million Personen entfielen 2012 nahezu 10% der Zuzüge in den OECD‐Raum auf Zuwanderer aus China, gefolgt von Rumänien (5,6%) und Polen (5,4%).
• Im OECD‐Raum leben über 115 Millionen Zuwanderer, was etwa 10% der Gesamtbevölkerung entspricht.
• 2012 hatten rd. 12,5% aller 15‐Jährigen zwei im Ausland geborene Elternteile – das waren 50% mehr als zehn Jahre zuvor. Ihre Integration, insbesondere bei denjenigen, deren Eltern ein niedriges Bildungsniveau aufweisen, ist ein Anliegen von wachsender Bedeutung.
• Die Krise hat Zuwanderer unverhältnismäßig stark getroffen: Von den zusätzlichen 15 Millionen Arbeitslosen im OECD‐Raum seit 2007 ist etwa jeder Fünfte im Ausland geboren.
• Trotz der Krise ist die Mehrheit der Zuwanderer erwerbstätig. Im Durchschnitt ist die Beschäftigungsquote von Zuwanderern mit niedrigem Bildungsniveau (54,1%) höher als die von im Inland Geborenen mit vergleichbarem Bildungsniveau (52,6%).
• Im Gegensatz dazu sind Zuwanderer mit Tertiärabschluss mit geringerer Wahrscheinlichkeit beschäftigt als im Inland Geborene mit gleichem Bildungsabschluss (77% gegenüber 84%). Darüber hinaus ist die Wahrscheinlichkeit um 50% höher, dass sie für ihre jeweilige Tätigkeit überqualifiziert sind.
Eine Zusammenfassung der Studie finden Sie hier (pdf).