Rede der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel auf dem 27. Parteitag der CDU in Köln, 9.12.2014
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Vorsitzende der CDU:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Delegierte! Liebe Gäste! Liebe Freundinnen und Freunde! Zuerst einmal, lieber Armin Laschet, ganz herzlichen Dank für das Stück des Kölner Doms, das natürlich einen Ehrenplatz im Konrad-Adenauer- Haus in Berlin bekommen wird. Ich bedanke mich dafür sehr. Das können wir gut gebrauchen. Ich will auch darauf hinweisen: Berlin hat schweren Herzens seinen Kardinal ziehen lassen, damit er im Kölner Dom seinen Dienst tun kann. Das ist echte Großzügigkeit gewesen. Das sage ich als evangelische Christin, liebe Freundinnen und Freunde.
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Die entscheidenden Schlüssel, damit wir weiter ein erfolgreiches Land bleiben, sind natürlich Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit. Das zu stärken ist die dritte Herausforderung, an der wir für Deutschlands Zukunft arbeiten. Es geht immer darum, ob es auf der Welt – nebenbei bemerkt: 90 Prozent des Wachstums auf der Welt findet außerhalb Europas statt – Menschen gibt, die das, was wir in Deutschland herstellen, erfinden und produzieren, auch kaufen wollen. Das wird uns nur mit wirklich innovativen Produkten gelingen. Deshalb ist das Thema „Made in Germany“, „Weltspitze“, „Hidden Champions“, „Weltmarktführer“ nicht irgendein Elitethema, sondern schlussendlich geht es dabei darum, unseren Lebensstandard zu erhalten oder zu verbessern.
CDU und CSU achten in der Großen Koalition genau auf diesen Punkt. Wir können auf dem aufbauen, was wir in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit der FDP erreicht haben. Ich will an dieser Stelle einmal Folgendes einfügen: Manchmal kann ich mich nur wundern, wie die FDP heute schon von vielen endgültig abgeschrieben wird. Ich rate uns: Warten wir es doch einmal in Ruhe ab.
Sie ist und bleibt auf jeden Fall unser natürlicher Koalitionspartner, und wir haben in der vergangenen Legislaturperiode viele Weichen richtig gestellt. Darauf können wir heute aufbauen. Das dürfen wir nicht vergessen.
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Wir müssen auch darauf achten, dass wir nicht immer mehr Bürokratie aufbauen. Wir haben die Wirtschaft in den vergangenen Jahren von erheblichen Bürokratiekosten entlastet. Wir haben jetzt durch einige Gesetzgebungen wieder ziemlich viel Bürokratie draufgesattelt. Deshalb haben wir gesagt – das war ein wichtiger und von der Unionsfraktion herbeigeführte Beschluss –: Wenn wir ein Gesetz machen, das mehr Bürokratiekosten verursacht, dann müssen wir auf der anderen Seite ein Gesetz herausnehmen, damit Bürokratiekosten entfallen. One in, one out – so heißt das Ganze. Das wollen wir jetzt versuchen, zielstrebig umzusetzen. Die CDU wird darüber wachen, dass das auch wirklich passiert, liebe Freunde.
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Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, dann müssen wir offen sein, zum Beispiel offen für den Welthandel, für den Freihandel. Als ich jetzt beim G-20-Treffen in Australien war, ist mir noch einmal bewusst geworden, was für eine Dynamik in der pazifischen Region vorherrscht – von Japan über China bis Australien und Neuseeland –: ein Freihandelsabkommen nach dem anderen.
Liebe Freunde, wenn wir als Exportnation unsere hohen Standards im Umweltschutz und im Verbraucherschutz in solchen Freihandelsabkommen verankern wollen, zum Beispiel in den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika, dann müssen wir uns sputen. Dann dürfen wir nicht den ganzen Tag Bedenken ausdrücken, sondern dann müssen wir sagen: Wir wollen Standards weltweit setzen. Deshalb müssen wir zu den Ersten und dürfen nicht zu den Letzten gehören. Die Welt wartet nicht auf uns.
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Bei all dem, worüber ich bislang gesprochen habe, geht es um wirtschaftliche Stärke, Wettbewerbsfähigkeit und im Kern um die Frage, wie wir morgen in Europa leben können. Aber es gibt darüber hinaus etwas, was unser Leben in Europa bestimmt. Als wir heute vor einem Jahr überlegt haben, was 2014 für ein Jahr sein wird, haben wir über den 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs und über den 75. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs gesprochen. Wenn wir fast am Ende des Jahres 2014 zurückblicken, dann stellen wir fest, dass es viele bewegende Erinnerungsfeiern anlässlich dieser historischen Ereignisse gab. Aber 2014 war für uns in unserem alltäglichen Leben ein Jahr voller Kriege, Krisen und schrecklicher Krankheiten. Wir mussten erleben, dass in Europa Grenzen missachtet wurden, die Krim annektiert wurde, die territoriale Integrität, ein Kernbestandteil der europäischen Nachkriegsordnung, infrage gestellt wurde, in Donezk und Luhansk. Scheinbar war das Recht des Stärkeren stärker als die Stärke des Rechts. Deshalb muss ich es immer und immer wieder sagen: Was seit Monaten in der Ukraine passiert, das stellt unsere europäische Friedensordnung infrage. Russland hat gegen internationales Recht verstoßen und verstößt weiterhin dagegen. Nachbarländer sind plötzlich keine Partnerländer mehr, sondern sie werden zu Einflusssphären. Wir werden diese Probleme nicht lösen, wenn wir die Dinge nicht klar beim Namen nennen. Auch dafür hat die CDU immer gestanden.
Aber wir werden die Probleme auch nicht überwinden, wenn wir nicht die richtige Herangehensweise finden. Das heißt, die Fakten beim Namen zu nennen. Das heißt – das habe ich von Anfang an gesagt: Militärisch ist diese Krise nicht zu lösen. Diplomatisch müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um sie zu lösen. Ich darf Ihnen versprechen: Ich werde gemeinsam mit dem Außenminister keine Gelegenheit verstreichen lassen, um immer und immer wieder darauf hinzuweisen: Wir wollen eine diplomatische Lösung. Lasst uns zum Minsker Abkommen zurückkehren! Lasst es uns versuchen! Wir brauchen vielleicht einen langen Atem. Aber ich bin überzeugt: Wir können das schaffen, und wir müssen das schaffen, als Lehre aus der Geschichte und als Antwort auf unser heutiges Europa.
Ich weiß, dass Sanktionen zum Teil auch für unsere Wirtschaft hart sind. Ich sage noch einmal: Sie sind kein Selbstzweck. Aber sie werden beschlossen, wenn sie unvermeidlich sind.
Unser Ziel ist eine territorial unversehrte Ukraine, die frei und selbstbestimmt über ihre Zukunft entscheiden kann. Das ist die Durchsetzung der Stärke des Rechts. Der Weg ist hart. Er erfordert einen langen Atem. Aber ich sage Ihnen, lieber Herr Klitschko, als Stellvertreter vieler in der Ukraine: Wir helfen Ihnen, wo immer wir können, und wir unterstützen Sie.
Liebe Freunde, nur wenige Flugstunden von hier entfernt spielt sich seit vielen Monaten in Syrien und im Irak ein noch fürchterlicheres Drama ab. Es geht nicht nur um die Tragödie des Bürgerkriegs in Syrien, sondern es geht auch um das menschenverachtende Terrorregime IS, das dort wütet und dessen Hass und Brutalität offenbar keine Grenzen zu kennen scheinen.
Da stellen sich manche natürlich die Frage: Was geht mich denn das an, was so scheinbar weit entfernt von uns vor sich geht? Ich sage: Als Christdemokraten können wir nicht einfach unsere Hände in den Schoß legen. Wir sind verpflichtet zu helfen. Wir sind verpflichtet hinzuschauen. Wir sind verpflichtet international Verantwortung zu übernehmen.
Lassen Sie mich deshalb an dieser Stelle einem danken, der sich immer wieder um das Schicksal von verfolgten Christen gekümmert hat und kümmert. Lieber Volker Kauder, Du hast frühzeitig deinen Finger in diese Wunde gelegt und gesagt: Es ist unsere Pflicht, vielen Menschen zu helfen, aber gerade da, wo Christen verfolgt sind, kann die CDU nicht schweigen. Deshalb ein herzliches Dankeschön für deine Arbeit in dieser ganzen Region.
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Liebe Freunde, diese Ereignisse, die scheinbar weit weg sind, machen sich bei uns durch die steigende Zahl von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen, die bei uns ankommen, bemerkbar. Allein im Jahr 2014 gab es in Deutschland über 200 000 Asylbewerber. Das sind völlig neue Herausforderungen für die Kommunen. Deshalb haben wir gesagt: Wir als Bund müssen die Kommunen unterstützen, zum Beispiel bei den Liegenschaften. Wir haben Hunderte neue Stellen im Bundesamt für Migration geschaffen, wo die Zulassungsverfahren laufen. Wir haben drei Länder – Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Montenegro – zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt; denn wir müssen jene im Fokus haben, die wirklich unsere Unterstützung brauchen, nämlich jene, die dort herkommen, wo nahezu kein akzeptierter Asylbewerber herkommt.
Liebe Freunde, das war eine schwierige Entscheidung. Es war schwierig, hierfür überhaupt eine Unterstützung im Bundesrat zu bekommen. Ich will noch einmal daran erinnern: Die gleichen Grünen, die Baden-Württemberg einen Vorwurf gemacht haben, weil es sich im Bundesrat für sichere Herkunftsstaaten entschieden hat, haben im letzten Jahr entschieden, dass sie unter keinen Umständen eine Koalition mit uns eingehen wollen.
Ich will noch einmal in Erinnerung rufen: Wir wären bereit gewesen, eine solche Koalition zu wagen, manche Grüne waren es nicht. Schade drum!
Umso erfolgreicher arbeitet unser Freund Volker Bouffier als Ministerpräsident unter einer schwarz-grünen Koalition in Hessen. Lieber Volker, danke, dass du das hinbekommen hast. Das ist ein neuer interessanter Weg. Ich habe den Eindruck, er ist gut für Hessen.
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Liebe Freunde, am Abend des 9. November habe ich mich noch einmal selbst in den Arm gezwickt und überlegt: Wo kommst du her? Was ist möglich geworden? – Ich kann nur sagen: Es ist ein Glück, ein großes Glück, ein Glück, dass wir die deutsche Einheit erleben konnten, ein Glück, dass wir die friedliche Revolution erleben konnten, ein Glück, dass wir in einem wiedervereinigten Deutschland leben, ein Glück, dass dieses wiedervereinigte Deutschland in eine Europäische Union eingebettet ist, die in Frieden und Sicherheit leben kann. Ich glaube, wir können über das glücklich sein, was wir erreicht haben.
Das alles ist möglich gewesen, weil Christdemokratinnen und Christdemokraten immer wieder Verantwortung übernommen haben. Da ist es schon ein beklemmendes zeitliches Zusammentreffen, wenn wir sehen, wofür die andere Volkspartei in Deutschland, die SPD, letzten Freitag in Erfurt den Weg freigemacht hat. Sich als stolze Volkspartei in die Juniorrolle unter Führung der Linkspartei zu begeben – wie viel kleiner will sich die SPD eigentlich noch machen, frage ich mich.
Ich halte das Verhalten der SPD in Thüringen für eine Bankrotterklärung, eine Bankrotterklärung an den eigenen Anspruch, als Volkspartei wirklich Zukunft gestalten zu wollen. Das ist die eigentliche Bankrotterklärung.
Für Thüringen, dieses so aufstrebende Land, ist das natürlich eine denkbar schlechte Nachricht. Thüringen steht heute glänzend da: starkes Wachstum, niedrige Arbeitslosigkeit, solide Finanzen. Liebe Christine Lieberknecht, auch von dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön! Danke für deine erfolgreiche Arbeit und Dank an alle in der CDU, die 24 Jahre erfolgreich für Thüringen und seinen Aufstieg gearbeitet haben. Herzlichen Dank!
Liebe Freunde, vor ein paar Tagen hat der Ehrenvorsitzende der Thüringer CDU, Bernhard Vogel, in einem, wie ich finde, bemerkenswerten Interview ausgeführt, worum es eigentlich geht, wie gewohnt in seiner sehr ruhigen, aber auch sehr unmissverständlichen Art. Ich zitiere ihn:
„Thüringen ist nur eine Etappe. Schon aus diesem Grund wäre es Ramelows größte Torheit, jetzt den Eindruck zu erwecken, er plane in Thüringen die Revolution. Wir werden mit ihm eher ruhige Jahre erleben. Damit 2017 alle glauben, die Linken taugten auch für den Bund.“
Genau darum geht es. Uns allen gemeinsam muss eines klar sein: Nur unsere eigene Stärke, nur eine starke Union im Jahr 2017 wird Rot-Rot-Grün im Bund unmöglich machen. Daran haben wir für die Menschen in unserem Land zu arbeiten.
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Die vollständige Rede finden Sie hier (pdf).