Ausgabe Dezember 2015

Erdogan: Mit Terror zur Allmacht

Der 1. November 2015 wird als eine fatale Zäsur in die Geschichte der Türkei eingehen. Dieser Wahlsonntag entschied auf einen Schlag einen gesellschaftlichen Kampf, der im Juni 2013 begonnen hatte und bis Ende Oktober 2015 andauerte. Dabei ging es um die zentrale politische Ausrichtung des Landes – entweder in Richtung einer eher säkularen Demokratie, die sich am Westen orientiert, oder in Richtung einer stark islamisch grundierten, autoritär-patriarchalischen Herrschaft, die sich im besten Falle noch formal um eine demokratische Fassade bemüht und sich außenpolitisch nach Osten orientiert. Dieser Grundkonflikt bestimmt die türkische Gesellschaft seit Jahrzehnten, erreichte in den letzten zweieinhalb Jahren aber einen neuen Höhepunkt.

Im Juni 2013 begann ein Aufstand, der sich gegen die autokratisch-islamische Entwicklung richtete, die Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine AKP (Partei für Gerechtigkeit und Fortschritt) immer stärker repräsentierten. Dieser demokratische Aufbruch endete – zumindest vorläufig, wenn auch auf unabsehbare Zeit – mit dem Wahlsieg der AKP am 1. November. Mit diesem Sieg ist der Versuch, Erdogans Griff nach der absoluten Macht zu verhindern, gescheitert. Mit 50 Prozent der Wähler im Rücken kann Erdogan nun alle Widerstände beseitigen, die dem Umbau der Türkei in einen islamischen autoritären Staat noch entgegenstehen.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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