Dokumente zum Zeitgeschehen

»Feindbild 'Lügenpresse' lässt Übergriffe auf Journalisten steigen«

Untersuchung des European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF), 15.12.2015

»Mindestens 29 Journalisten wurden 2015 wegen ihrer angeblichen Zugehörigkeit zur "Lügenpresse" körperlich attakiert - getreten, geschlagen, geschuppt oder bespuckt. Dutzende weitere wurden wegen ihrer Tätigkeit für die "Mainstream-Medien" bedroht, bedrängt und verfolgt. Ein massiver Anstieg zu den Vorjahren, in denen nur vereinzelte gewalttätige Übergriffe auf Jounalisten in Deutschland bekannt wurden, wie eine Untersuchung des European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF) in Leipzig ergab.

Zwischen dem 16.11. und dem 12.12.2015 sammelten und untersuchten Mitarbeiter des Zentrums die sich häufenden Angriff auf Journalisten im Umfeld von rechtspopulistischen Veranstaltungen. Neben Medienberichten und mehrfachen Besuchen von Demonstrationen bilden sieben Experteninterviews mit Opfern und Experten die Grundlage der Studie.

Der größte Teil der bekannt gewordenen Übergriffe gegen Journalisten konzentrierte sich in Sachsen. Das ist kein Zufall, denn im Umfeld der Dresdner Pegida-Demonstrationen und ihrer Ableger ereigneten sich die meisten Übergriffe. [...]

Die Gründe für diesen starken Anstieg von Gewalt und Bedrohungen gegen Journalisten sind zumindest teilweise auf das Erstarken der rechtspopulistischen Bewegungen zurückzuführen: Die Redner der Rechtspopulisten beschwören regelmäßig das Feindbild der Lügenpresse, damit haben Journalisten ihrer neutralen Status verloren und werden Teil des Feinbildes. Das erklärt auch die überdurchschnittliche Fallzahl für Sachsen: Dort gab es besonders viele Demonstrationen, bei denen Demonstranten auf die "Lügenpresse", jetzt greifbares Feindbild treffen konnte. Trotz einer bisher sehr lückenhaften Datenlage deutet zudem vieles darauf hin, dass die Angreifer mehrheitlich nicht zu den "besorgten Bürgern" zu rechnen, sondern eher Rechtsextremisten sind, die im Umfeld der Demonstrationen gegen Journalisten Feindbild agieren.

Ob die Vorfälle die Pressefreiheit in Deutschland gefährden, ist bei den Interviewten umstritten. Die meisten Journalisten stellen sich der zunehmend gefährlichen Situation und berichten weiter. Dennoch bleiben die Bedrohungen nicht ohne Auswirkung, wenn Journalisten zum Teil mit Sicherheitspersonal ihrer Arbeit nachgehen müssen. Noch ist die Freiheit der Presse in Deutschland nicht gefährdet, schlussfolgert die Studie. Nimmt die Anzahl der Vorfälle jedoch weiter zu, wird sie bald am Scheideweg stehen.«

Den vollständigen Untersuchungsbericht finden Sie hier.