Dokumente zum Zeitgeschehen

»Wir verteidigen das Recht, im Krieg den Frieden zu fordern«

Internationaler Aufruf in Solidarität mit inhaftierten türkischen Akademikern, 21.1.2016

In Solidarität mit den AkademikerInnen aus der Türkei für Frieden.

Seit Wochen herrschen im kurdischen Südosten der Türkei bürgerkriegsähnliche Zustände. Panzer schießen auf historische Stadtviertel, ZivilistInnen werden verletzt und sterben. Abertausende fliehen.

Mit einem Friedensappell haben über 2000 WissenschaftlerInnen aus der Türkei gegen den Krieg im eigenen Land Einspruch erhoben. Der türkische Staatspräsident Erdoğan hat die VerfasserInnen und UnterzeichnerInnen des Appells im Fernsehen persönlich zu "Landesverrätern" erklärt: "Wer das Brot dieses Staates isst, aber diesen Staat verrät, gehört bestraft." Die Erklärung des Präsidenten wurde nur wenig später umgesetzt. HochschullehrerInnen werden entlassen, die 1128 ErstunterzeichnerInnen werden wegen "Beleidigung des Türkentums, der Republik und ihrer Organe" und "Propaganda für terroristische Organisationen" angeklagt, viele wurden bereits in Gewahrsam genommen.

Nur sehr wenige Medien wagen noch Kritik zu üben, nationalistische Organisationen lancieren individuelle Morddrohungen per Telefon, ein landesweit bekannter Mafiaboss will "im Blut der Verräter baden." An den Wänden einiger Provinzuniversitäten werden Plakate mit den Gesichtern von UnterzeichnerInnen des Appells verklebt.

Wir, WissenschaftlerInnen aus aller Welt, verteidigen unsere Kolleginnen und Kollegen in der Türkei. Gemeinsam verteidigen wir die Freiheit der Wissenschaft, die Freiheit des Wortes. Wir verteidigen das Recht, im Krieg den Frieden zu fordern.

Es darf keine Entlassungen und keine Anklagen geben. Der türkische Staat hat die Pflicht, die UnterzeichnerInnen des Appells vor Drohungen und Angriffen Dritter zu schützen. Die Regierungen der Europäischen Union, mit der türkischen Regierung im engsten Kontakt, sind aufgefordert, ihren Bündnispartner auf die Wahrung des Rechts zu verpflichten.

Wir bitten weltweit alle Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen, sich bei ihren PartnerInnen in der Türkei dafür einzusetzen, dass die UnterzeichnerInnen des Appells weiter forschen und lehren und freien Gebrauch von allen ihren Rechten machen können.

Im Einklang mit dem Appell "Wir nehmen an diesem Verbrechen nicht teil" fordern wir die türkische Regierung auf, die Bedingungen für eine friedliche Beilegung des andauernden Krieges zu schaffen und Verhandlungen zu ermöglichen.

Die Liste der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner finden Sie hier.