Dokumente zum Zeitgeschehen

»Die Demokratie ist weltweit auf dem Rückzug«

Bertelsmann Transformation Index 2016, 29.02.2016

Die Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht im aktuellen Bertelsmann Transformation Index eine Bestandsaufnahme der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung aller Staaten, die kein konsolidiertes demokratisches System besitzen. Im globalen Zusammenhang wurden folgende Ergebnisse festgestellt.

- Politische und soziale Spannungen nehmen weltweit zu: Die Ukrainekrise macht ungelöste geopolitische Konflikte im postsowjetischen Raum  deutlich. Der Zerfall von Staaten wie Jemen, Libyen und Syrien erzeugt ein Vakuum, in das Terrororganisationen wie der Islamische Staat stoßen. Auch in Demokratien Mittelosteuropas und Lateinamerikas nehmen soziale Proteste erheblich zu.

- Der Einfluss von Religion auf Politik wächst weiter: Gesellschaftliche Auseinandersetzungen werden zunehmend entlang religiöser Konfliktlinien ausgetragen. Militante und extremistische Organisationen befördern diese Konflikte.

- Immer weniger Raum für Dissens: In fast 60 Prozent der 129 Staaten hat sich der Entwicklungsstand der politischen Transformation verschlechtert. In einem Fünftel aller Länder ist die Demokratiequalität deutlich zurückgegangen. Zahlreiche Regime bedienen sich kruderen Methoden, um einen offenen gesellschaftlichen Diskurs zu unterbinden.

- Demokratien schränken Beteiligung ein: In vielen demokratisch regierten Ländern wurden freie und faire Wahlen, Organisations-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie Gewaltenteilung und Bürgerrechte weiter eingeschränkt. Bei der Presse- und Meinungsfreiheit sind Rückschritte vor allem in Ostmittel- und Südosteuropa auszumachen.

- Zweifel an Leistungsfähigkeit demokratischer Institutionen nimmt zu: Mit großer Mehrheit gewählte Regierungen begreifen ihren Wählerauftrag als  imperatives Mandat zum kompromisslosen Durchsetzen von politischen Zielen ohne Konsultation von Opposition und Zivilgesellschaft.

- Sozialpolitik bleibt große Schwachstelle:  Armut, Ungleichheit und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit entladen sich in Protesten gegen schlechte Regierungsführung. Das sozioökonomische Entwicklungsniveau bleibt im weltweiten Durchschnitt auf einem extrem niedrigen Niveau. Am größten ist die Diskrepanz in den unterentwickelten Regionen Subsahara-Afrikas, insbesondere Westafrikas.

- Leistungsstärke und makroökonomische Stabilität sinkt. Die Zeit vor der Wirtschaftskrise wurde nicht für nachhaltige Sozialpolitik genutzt. In vielen Ländern ist die makroökonomische Stabilität zurückgegangen. Dies wurde ausgelöst oder begleitet von einem Rückgang an Haushaltsdisziplin, sinkenden Rohstoffeinnahmen und teils hohen Aufwendungen, insbesondere in Osteuropa, zur Bankenrettung.

- Regierungen noch nicht für anstehende Aufgaben gerüstet: Die Gruppe der Staaten, denen der BTI eine sehr gute Regierungsqualität attestiert, umfasst mittlerweile nur noch sechs Länder, so wenig wie noch nie: Uruguay, Chile, Taiwan, Estland, Polen und Litauen.

Um die intensiver werdenden gesellschaftlichen Konflikte und die zunehmende Polarisierung zu entschärfen und das Vertrauen der Bürger in die politischen Eliten wieder herzustellen, bräuchte es dringlicher denn je ein Mehr an Dialog, eine entschiedene Umsetzung von Reformen, eine entschlossene Bekämpfung von Korruption auf allen Ebenen und einen neuen Konsens zwischen Regierungen und Regierten darüber, wo die Reise hingehen soll.

Den vollständigen Bericht finden Sie hier.