Dokumente zum Zeitgeschehen

»Für eine Umstrukturierung der griechischen Schulden«

Offener Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU, 8.5.2016

Die desaströse humanitäre Situation in Griechenland ist seit langem bekannt. Dazu kommen die außergewöhnlichen Lasten, welche die Griechische Bevölkerung mit der Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten trägt. In dieser Situation braucht Griechenland wirkliche Unterstützung seiner europäischen Nachbarn und keine zusätzlichen Sparauflagen. Die Zeit drängt: Damit überhaupt noch eine Politik der Krisenbewältigung in Griechenland betrieben werden kann, sind unverzügliche Schritte unabdingbar. Sie haben es in Ihren Händen, den Zusammenbruch politischer Handlungsfähigkeit in Griechenland zu verhindern.
Angesichts der geschilderten Probleme braucht Griechenland kurzfristig zusätzliche Finanzmittel. Zugleich soll eine Abkehr von der Griechenland aufgezwungenen Krisenstrategie erfolgen. Wie die vorangegangenen Programme gleicht das dritte Hilfsprogramm einer Rosskur, die weder Griechenland noch den Gläubigern nutzt. Besonders schädlich sind die im dritten Hilfspaket enthaltenen überzogenen Anforderungen an die kurz- und mittelfristigen Haushaltsziele, die sich an einem zu erzielenden Primärüberschuss von 3,5% der griechischen Wirtschaftsleistung ab 2018 festmachen. Nach Jahren der Entbehrung und des wirtschaftlichen Zusammenbrechens jetzt weitere Sparanstrengungen zu fordern ist politisch realitätsblind, ökonomisch nicht gerechtfertigt und der griechischen Bevölkerung nicht zuzumuten.

Wir fordern Sie daher auf, gegenüber den verantwortlichen Institutionen der EU und den die Verhandlungen mit Griechenland Führenden durchzusetzen,

(1) dass alle bisher vereinbarten Raten der Kreditgewährung an Griechenland plangemäß zur Sicherstellung des Schuldendienstes ausgezahlt werden und keine Forderungen nach neuen Sparauflagen mehr erhoben werden,

(2) dass Griechenland zusätzliche Finanzhilfen zur Bewältigung der humanitären Krise der eigenen Bevölkerung und der Geflüchteten in Griechenland erhält,
sowie

(3) dass noch in diesem Jahr eine Umstrukturierung der griechischen Schulden in eine für das Land erträgliche Form (langfristige Schuldpapiere mit niedriger Verzinsung) eingeleitet wird. Bei der zugrundeliegenden Beurteilung der Schuldentragfähigkeit sind die überzogenen Vorgaben an die kurz-und langfristigen Haushaltsziele abzusenken.

Hochachtungsvoll

Zu den Erstunterzeichnern gehören neben dem deutschen Ökonomen Elmar Altvater, dem französischen Philosophen Etiénne Balibar und dem Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Jürgen Bieling auch die SPD-Politikerinnen Gesine Schwan und Andrea Ypsilanti, die Linken-Abgeordneten Gabi Zimmer und Axel Troost. Initiiert wurde die Intervention von Judith Dellheim und Frieder Otto Wolf, inzwischen haben sich zahlreiche namhafte Wissenschaftler dem Appell angeschlossen, darunter auch der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn, der US-Historiker Immanuel Wallerstein und Hans-Jürgen Urban von der IG Metall.

Den vollständigen Brief finden Sie hier.