Dokumente zum Zeitgeschehen

»Armutsgefährdete Familien werden bei Kita-Beiträgen ungleich stärker belastet«

Studie der Bertelsmann-Stiftung, 28.5.2018

Der Besuch einer Kindertageseinrichtung (KiTa) oder Kindertagespflege ist für die Mehrzahl der Kinder in Deutschland normaler Bestandteil ihres Aufwachsens. Fast alle drei- bis unter sechsjährigen Kinder (93,8 Prozent) besuchen eine Kindertagesbetreuung, bei den jüngeren Kindern sind es 33,1 Prozent. Insbesondere für die unter dreijährigen Kinder ist dieser Anteil in den letzten Jahren deutlich gestiegen.

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Mit der gestiegenen Anerkennung der Kindertagesbetreuung als Bildungsort wird auch der kostenfreie Besuch einer KiTa oder Kindertagespflege diskutiert bzw. ist in einigen Bundesländern auch für bestimmte Altersgruppen umgesetzt worden. Allerdings beteiligen sich Eltern nach wie vor in erheblichem Umfang an der Finanzierung der Kindertagesbetreuung. Grundsätzlich werden die Finanzierung – und somit auch die Finanzierungsanteile der einzelnen Akteure (Land, Kommunen, Träger, Eltern) – durch das jeweilige Landesrecht geregelt. Die von Land zu Land variierenden Finanzierungsanteile der Akteure werden auch bei der Finanzierungsbeteiligung der Eltern sichtbar: Es besteht eine erhebliche Spannweite der Elternbeteiligung, die von 7 Prozent in Berlin bis 23 Prozent in Sachsen-Anhalt reicht.

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Für Familien mit einem geringen Einkommen kann die Höhe der Beiträge und Gebühren bei der Entscheidung für oder gegen eine institutionelle Betreuung von besonderer Bedeutung sein. Gleichzeitig kann sich durch eine hohe Belastung mit KiTa-Kosten, gemessen am Haushaltsnettoeinkommen, die finanzielle Situation der Familien deutlich verschlechtern. 68 Prozent der befragten Eltern, deren Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegt, zahlen derzeit einen KiTa-Beitrag. Eltern, die über ein höheres Einkommen verfügen, zahlen zu 86 Prozent einen KiTa-Beitrag. Ein Grund dafür, warum ein so hoher Anteil der Eltern trotz eines Einkommens unterhalb der Armutsrisikogrenze einen KiTa-Beitrag bezahlt, könnte darauf zurückzuführen sein, dass es im Sozialgesetzbuch VIII keine bundeseinheitlichen Regelungen zur verpflichtenden Staffelung der Elternbeiträge gibt. Jedes Bundesland kann entscheiden, ob überhaupt eine Staffelung der Beiträge vorzusehen ist. Die konkrete Ausgestaltung der Staffelung erfolgt dann zudem in der Regel auf der kommunalen Ebene und führt zu einer entsprechend heterogenen Ausgestaltung.

Eltern mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze, die einen KiTa-Beitrag zahlen, zahlen 9,8 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für den KiTa-Beitrag. Demgegenüber bezahlen Familien oberhalb der Armutsgefährdungsgrenze nur 5,1 Prozent ihres Einkommens für die KiTa-Beiträge. Armutsgefährdete Familien werden daher, trotz einer größtenteils einkommensabhängigen Beitragsbemessung, fast doppelt so stark belastet. Zwar zeigen die Ergebnisse, dass der KiTa-Beitrag absolut gesehen, aufgrund der vielerorts vorhandenen Beitragsstaffelung, unterhalb der Armutsrisikogrenze niedriger ausfällt: Sie zahlen 118 Euro monatlich und somit 60 Euro weniger als Eltern oberhalb der Armutsrisikogrenze. Die derzeitigen Beitragsstaffelungen sind allerdings nicht ausreichend, um armutsgefährdete Familien tatsächlich in Relation zu ihrem Haushaltsnettoeinkommen zu entlasten.

Bei den Zusatzgebühren ergibt sich ebenfalls eine etwas mehr als doppelt so hohe Belastung für Familien unterhalb der Armutsrisikogrenze. Diese Elterngruppe zahlt 3,3 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens, Eltern mit einem höheren Einkommen hingegen nur 1,4 Prozent. Die absoluten Werte zeigen, dass die Zusatzgebühren für die Eltern ober- und unterhalb der Armutsrisikogrenze nahezu gleich sind. Im Gegensatz zu den KiTa-Beiträgen gibt es demnach keine sozialen Staffelungen bei den Zusatzgebühren, so dass Eltern unabhängig von ihrem Einkommen den gleichen Betrag für die Zusatzgebühren bezahlen müssen. Grundsätzlich steht allerdings Eltern (in Abhängigkeit von ihrem Einkommen) über die Inanspruchnahme des Bildungs- und Teilhabepakets eine Möglichkeit der Entlastung für das Mittagessen sowie für Ausflüge zur Verfügung, die aber möglicherweise nicht immer genutzt wird.

Die finanzielle Belastung, die Eltern insgesamt für die KiTa- Betreuung entsteht, liegt für Familien oberhalb des Armutsrisikos bei 5,1 Prozent, während Familien mit einem geringeren Einkommen mit 8,8 Prozent einen deutlich höheren Anteil ihres Haushaltsnettoeinkommens zahlen müsse. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei der Betrachtung der Gesamtkosten auch diejenigen Eltern einbezogen werden, die aktuell keinen KiTa-Beitrag, sondern lediglich Zusatzgebühren bezahlen müssen.

Die vollständige Studie finden Sie hier.