Studie im Auftrag der Deuschen Bischofskonferenz, 24.9.2018
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden Personal- und Handakten von 38.156 Klerikern der 27 Diözesen aus den Jahren 1946 bis 2014 durchgesehen. Dabei fanden sich bei 1.670 Klerikern der katholischen Kirche Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. Das waren 4,4 Prozent aller Kleriker aus den Jahren 1946 bis 2014, von denen Personalakten und weitere Dokumente in den Diözesen durchgesehen wurden. Diese Zahl stellt eine untere Schätzgröße dar; der tatsächliche Wert liegt aufgrund der Erkenntnisse aus der Dunkelfeldforschung höher. Bei Diözesanpriestern betrug der Anteil 5,1 Prozent (1.429 Beschuldigte), bei Ordenspriestern im Gestellungsauftrag 2,1 Prozent (159 Beschuldigte) und bei hauptamtlichen Diakonen 1,0 Prozent (24 Beschuldigte). Bei 58 Beschuldigten war der Klerikerstatus unbekannt. Sofern Personalakten von Klerikern durchgesehen wurden, die im Zuge des Antragsverfahrens zu „Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde“ beschuldigt worden waren, fand sich nur in 50 Prozent der in den Anträgen von der katholischen Kirche als plausibel eingestuften Beschuldigungen ein entsprechender Hinweis auf die Beschuldigung oder die Tat in der Personalakte oder anderen kirchlichen Dokumenten des jeweiligen Klerikers. Damit wäre dieHälfte aller Fälle im Rahmen einer reinen Personalaktendurchsicht ohne die aktive Antragstellung der Betroffenen zu „Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde“ nicht entdeckt worden. Dies gibt einen Hinweis auf das Ausmaß des anzunehmenden Dunkelfelds.
Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen
Den 1.670 beschuldigten Klerikern konnten nach den Personal- und Handakten insgesamt 3.677 Kinder und Jugendliche als von sexuellem Missbrauch betroffen zugeordnet werden. Dies waren im Durchschnitt 2,5 Betroffene pro Beschuldigtem. In der Analyse von Strafakten lag die Zahl bei 3,9. Bei 54 Prozent der Beschuldigten lagen Hinweise auf einen einzigen Betroffenen vor, bei 42,3 Prozent Hinweise auf mehrere Betroffene („Mehrfachbeschuldigte“), bei 3,7 Prozent fehlten entsprechende Angaben. Die Mehrfachbeschuldigten hatten durchschnittlich 4,7 Betroffene. Der Maximalwert lag bei 44 Betroffenen eines Beschuldigten.
Geschlecht der Betroffenen
Die von sexuellem Missbrauch Betroffenen waren zu 62,8 Prozent männlichen und zu 34,9 Prozent weiblichen Geschlechts. Bei 2,3 Prozent fehlten Angaben zum Geschlecht. (...) Das deutliche Überwiegen männlicher Betroffener unterscheidet sich vom sexuellen Missbrauch an Minderjährigen in nicht-kirchlichen Kontexten.
Alter der Betroffenen bei erstem sexuellem Missbrauch
Beim ersten sexuellen Missbrauch waren 51,6 Prozent der Betroffenen bis maximal dreizehn Jahre alt. Vierzehn Jahre und älter waren 25,8 Prozent; bei 22,6 Prozent war das Alter unbekannt. Das mittlere Alter von Betroffenen, von denen das Alter bekannt war, lag bei 12,0 Jahren bzw. bei 10,6 Jahren.
Häufigkeit und Dauer des Missbrauchsgeschehens
Mehrfachtaten an einzelnen Betroffenen waren häufiger als einmalige Vorfälle. Bei denjenigen Betroffenen, bei denen die Dauer des individuellen Missbrauchsgeschehens ermittelt werden konnte, betrug diese im Durchschnitt 15,8 Monate bzw. 15,3 Monate bzw. 20,3 Monate.
(...)
Zeitliche Verteilung
Die Befunde aus Teilprojekt 3 und Teilprojekt 6 geben keinen belastbaren Hinweis darauf, dass es sich beim sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker der katholischen Kirche um eine in der Vergangenheit abgeschlossene und mittlerweile überwundene Thematik handelt. Für den gesamten Untersuchungszeitraum von 1946 bis 2014 ist von einem Andauern des Missbrauchsgeschehens auszugehen
Die gesamte Studie finden Sie hier.