1.10. – Nagorny Karabach. Die Präsidenten der USA, Russlands und Frankreichs fordern in einer gemeinsamen Erklärung die Regierungen Aserbaidschans und Armeniens auf, ihren bewaffneten Konflikt um die von beiden Staaten beanspruchte Region friedlich beizulegen (vgl. „Blätter“, 11/2020, S. 127). Ungeachtet internationaler Appelle zur Einhaltung der Waffenruhe dauern die Gefechte an. Die Regierungen in Baku (Aserbaidschan) und Erewan (Armenien) werfen sich gegenseitig massiven Beschuss vor.
1.-2.10. – EU. Die 27 Staats- und Regierungschefs treffen sich in Brüssel zu einem Sondergipfel. Ratspräsident Michel erklärt im Vorfeld, Europa sei zu einer „Weltmacht geworden, ohne es zu ahnen“. Die Teilnehmer müssten angesichts wachsender Krisen und Konflikte in Europas Nachbarschaft „Weltpolitikfähigkeit“ demonstrieren und dürften nicht länger in Schockstarre verharren oder sich an kleinteiligen Interessen aufreiben. Der Gipfel macht u.a. den Weg frei für Strafmaßnahmen gegen hochrangige Funktionäre der belarussischen Regierung. Laut Amtsblatt der Europäischen Union (15.10.) sind von den Beschlüssen der Chef des Inlandgeheimdienstes, der Vizechef der Präsidialverwaltung sowie der Milliardär Jewgeni Prigoschin betroffen, dem u.a. Verstöße gegen das UN-Waffenembargo gegen Libyen vorgeworfen werden. Zu den Strafmaßnahmen gehören Einreiseverbote und Vermögenssperren. – Am 8.10. befassen sich die Innenminister der Mitgliedstaaten mit einem Vorschlag der Kommission zur Neuausrichtung der EU-Migrationspolitik. Die Videokonferenz im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft wird von Bundesinnenminister Seehofer geleitet. – Am 14.10. führen Ratspräsident Michel und Kommissionspräsidentin von der Leyen ein „Krisentelefonat“ mit dem britischen Premierminister Johnson über die stockenden Verhandlungen zu den Folgen des Brexit. – Vom 15.-16.10. findet in Brüssel das Herbsttreffen der Staats- und Regierungschefs statt. Im Mittelpunkt stehen der Brexit und der Klimawandel. Anschließend heißt es, man wolle Großbritannien noch eine „letzte Chance“ geben. Dafür müsse Johnson jetzt „die nötigen Schritte machen“, um ein Abkommen zu ermöglichen. – Am 21.10. einigen sich die EU-Landwirtschaftsminister nach zweitägigen Verhandlungen in Luxemburg auf eine Reform der milliardenschweren Agrarpolitik. Von den Direktzahlungen sollen künftig mindestens 30 Prozent für „Öko-Regelungen“ reserviert werden. – Am 28.10. stellt die Kommission ihre Pläne für einen angemessenen Mindestlohn in allen Mitgliedstaaten vor. Gerechte Mindestlöhne, erklärt Kommissionspräsidentin von der Leyen, gehörten zu den politischen Prioritäten. Für die 21 Mitgliedstaaten mit einem gesetzlichen Mindestlohn, darunter Deutschland, werden bestimmte Kriterien formuliert. Frau von der Leyen hatte die Vorschläge in ihrer Rede zur Lage der Union vor dem Europäischen Parlament angekündigt (vgl. „Blätter“, 11/2020, S. 126).
6.10. – Bundesregierung. Bundeskanzlerin Merkel empfängt in Berlin die in Litauen im Exil lebende weißrussische Oppositionsführerin Tichanowskaja, die vom Westen mehr Unterstützung im Kampf gegen den Machthaber Lukaschenko fordert. Das Volk, so Frau Tichanowskaja, erwarte etwa Hilfe für unabhängige Medien und zivile Organisationen, um die Folgen der innenpolitischen Krise in Belarus zu überwinden. Die Bundeskanzlerin äußert sich nach dem Gespräch nicht. – Am 17./18.10. veröffentlicht der „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein Interview mit Bundesaußenminister Maas, der sich u.a. zur bevorstehenden Präsidentenwahl in den USA äußert. Washington sei seit Jahren dabei, die „im Kalten Krieg angenommene Rolle in der Welt strategisch neu auszurichten“, Deutschland müsse sich „darauf einrichten, dass sich an dieser Grundtendenz nichts ändern“ werde. Das Verhältnis zu Russland, erklärt Maas, „bleibt kompliziert“. Deshalb werde man auch in Zukunft „auf inakzeptable Aktionen aus Russland eine europäische Antwort geben müssen“. Das „Gezerre“ um die Belarus-Sanktionen sei durch die schnelle, geschlossene Entscheidung für Sanktionen im Fall Nawalny „zumindest ein bisschen wieder gutgemacht“ worden.
– Nato. Generalsekretär Stoltenberg bricht zu einer Vermittlungsmission im Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland auf. Nach einem Besuch in Ankara reist Stoltenberg weiter nach Athen. Gegenüber dem griechischen Regierungschef Mitsotakis erklärt der Generalsekretär, er hoffe, dass der verabredete Mechanismus zur Konfliktentschärfung Raum für die Diplomatie schaffe. Eine „Hotline“ zwischen den beiden Allianz-Partnern soll das Risiko von Zusammenstößen im östlichen Mittelmeer verringern. Wegen des Konflikts um Seegrenzen hatten beide Konfliktparteien dort Marineeinheiten in Stellung gebracht. – Am 21.10. teilt Stoltenberg mit, die europäischen Bündnispartner und Kanada seien bereit, ihre Verteidigungsausgaben voraussichtlich um 4,3 Prozent zu erhöhen. Die USA hatten diese Erhöhung nachdrücklich gefordert. – Am 22.10. befassen sich die Verteidigungsminister der 30 Mitgliedstaaten im Nato-Hauptquartier in Brüssel mit der geplanten Errichtung eines „Space Center“ auf der US-Airbase im rheinland-pfälzischen Ramstein, um Informationen über mögliche Bedrohungen gegen Satelliten zu sammeln. Nach den Worten von Stoltenberg habe die Nato nicht die Absicht, Waffen im Weltraum zu stationieren, „aber wir müssen sicherstellen, dass unsere Missionen und Operationen die passende Unterstützung haben“.
– Japan. Die Außenminister der USA, Japans, Indiens und Australiens vereinbaren im Rahmen eines „Quadrilateral Dialogue“ (Quad) eine engere Zusammenarbeit der vier indopazifischen Staaten. In Presseberichten heißt es, damit solle dem wachsenden Machtanspruch Chinas entgegengetreten werden. Ein erstes Treffen der Quad-Gruppe hatte im September d.J. am Rande der UN-Generalversammlung in New York stattgefunden.
– UNO. Die Vertreter von 39 Staaten, darunter die Bundesrepublik, üben in einem Ausschuss der in New York tagenden Generalversammlung heftige Kritik an den Menschenrechtsverletzungen der Volksrepublik China. „Wir fordern China auf“, erklärt der deutsche Diplomat Heusgen, „insbesondere die Rechte von Angehörigen religiöser und ethnischer Minderheiten zu respektieren“.
– OPCW. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons) mit Sitz in Den Haag bestätigt, dass im Blut und Urin des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny Spuren eines chemischen Kampfstoffs gefunden wurden (vgl. „Blätter“, 10/2020, S. 127 und 11/2020, S. 125). OPCW-Generaldirektor Arias (Spanien) bezeichnet das Ergebnis entsprechender Untersuchungen als äußerst besorgniserregend. Die Mitgliedstaaten fordern Russland auf, den Fall umfassend zu untersuchen. Die Bundesregierung wiederholt, Moskau müsse sich zu den Geschehnissen erklären.
8.10. – Bundestag. Nach mehrjähriger Debatte verabschiedet der Deutsche Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD ein neues Wahlrecht. Die Opposition äußert scharfe Kritik. Die Bundestagsabgeordnete Haßelmann (Grüne) bezeichnet das Gesetz als „grottenschlecht“ und „völlig ungeeignet, den Bundestag zu verkleinern“. Der Gesetzentwurf der Großen Koalition wird mit 362 gegen 281 Stimmen bei acht Enthaltungen angenommen. – Am 29.10. gibt Bundeskanzlerin Merkel vor dem Parlament eine Erklärung zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie ab und spricht von einer „dramatischen Lage“. Gemeinsam mit den Regierungschefs der Bundesländer habe man „weitreichende Kontaktreduzierungen“ beschlossen, die im November d.J. gegebenenfalls angepasst werden sollten. Es gehe „vor allen Dingen“ um die Einschränkung privater Kontakte. Der Bundestag verlängert in namentlicher Abstimmung mit 430 gegen 209 Stimmen bei sechs Enthaltungen das Mandat für den Einsatz der Bundeswehr gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien um drei Monate. Grüne und Linke verlangen erneut ein Ende des Einsatzes.
10.10. – Korea. Die Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea) begeht den 75. Jahrestag ihrer Gründung. Führer Kim Jong-un nimmt in der Hauptstadt Pjöngjang eine Militärparade ab und betont in seiner Ansprache, das Waffenarsenal diene allein zur Abschreckung und zum Selbstschutz. Eine neue Langstreckenrakete wird als größte der Welt bezeichnet.
13.10. – Polen. Der Vorsitzende der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit/PiS und stellvertretende Ministerpräsident Jarosław Kaczyn´ski droht mit einem Veto Warschaus gegen den Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union und das damit verbundene Corona-Konjunkturprogramm. Wir werden unsere Identität, unsere Freiheit und Souveränität um jeden Preis verteidigen und lassen uns „nicht mit Geld terrorisieren“. Kaczynski wendet sich vor allem gegen ein neues EU-Verfahren zur Bestrafung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit, das auch Kürzungen von Finanzhilfen für Mitgliedstaaten ermöglichen soll.
16.10. – Frankreich. Samuel Paty, ein 47jähriger Lehrer, wird in Conflans-Sainte-Honorine bei Paris auf offener Straße regelrecht hingerichtet. Täter ist ein junger Tschetschene, der als anerkannter Flüchtling in Frankreich lebt. Paty hatte am letzten Schultag vor den Ferien die viel diskutierten Mohammed-Karikaturen aus der Zeitschrift „Charlie Hebdo“ als Unterrichtseinheit über Meinungsfreiheit verwendet. Präsident Macron verurteilt mit deutlichen Worten „den politischen, radikalen Islamismus, der bis hin zum Terrorismus führt“. Der Mord gibt der Debatte über Islamismus und Islamophobie neuen Auftrieb. Innenminister Darmanin kündigt Einsätze gegen „Dutzende Personen“ aus dem radikalisierten Milieu an. In einer Kirche in Nizza werden am 29.10. drei Menschen getötet. Macron besucht den Tatort.
18.10. – Bolivien. Der Kandidat des Movimiento al Socialismo/MAS, Luis Arce, kann die Präsidentschaftswahl mit 52,4 Prozent (Hochrechnung) für sich entscheiden. MAS ist die Partei des ehemaligen Staats- und Regierungschefs Evo Morales Ayma, der nach einem von Kreisen des Militärs unterstützten Putsch das Land verlassen musste.
20.10. – Mittelmeerbündnis. Die Präsidenten Anastasiades (Zypern), al-Sisi (Ägypten) und Regierungschef Mitsotakis (Griechenland) treffen sich zu einem Gipfel in Zyperns Hauptstadt Nikosia. Mit Blick auf die Türkei erklärt Anastasiades, unsere Kooperation richtet sich „gegen keinen anderen Staat der Region“. Mitsotakis, der ganz offen Kritik übt („Die Führung der Türkei praktiziert eine imperiale Politik“), lädt Ankara zugleich ein, an der Kooperation teilzunehmen.
22.10. – Libanon. Neun Monate nach seinem Rücktritt übernimmt Saad Hariri erneut das Amt des Regierungschefs. Hariri soll mit Unterstützung der parlamentarischen Blöcke ein neues Kabinett bilden.
24.10. – Abrüstung. Als 50. Staat tritt Honduras dem von 122 Staaten unterzeichneten Vertrag über die Ächtung von Atomwaffen aus dem Jahr 2017 bei. Der Vertrag kann damit nach 90 Tagen am 22. Januar 2021 in Kraft treten. UN-Generalsekretär Guterres bezeichnet das Abkommen als Höhepunkt einer weltweiten Bewegung gegen die Massenvernichtungswaffen. Zu den Nichtunterzeichnern gehört auch die Bundesrepublik Deutschland. – Am 26.10. erklärt Moskau die Bereitschaft, die von den USA heftig kritisierte Stationierung von Marschflugkörpern vom Typ 9M729 im europäischen Teil Russlands zu beenden. Ein entsprechendes Angebot ist in einer von Präsident Putin veröffentlichten Erklärung enthalten.
25.10. – USA. Im Sender CBS erklärt der Präsidentschaftskandidat der Demokraten Joe Biden: „Ich denke, die größte Bedrohung für Amerika ist derzeit Russland, was Angriffe auf unsere Sicherheit und die Spaltung unserer Allianzen angeht“ und fügt hinzu: „zweitens denke ich, dass China unser größter Mitbewerber ist.“ – Am 26.10. leistet die Juristin Amy Coney Barrett den Amtseid als Mitglied des Supreme Court, dem höchsten Gericht des Landes. Damit ist das Gericht (9 Mitglieder) nach dem Tod der Richterin Ruth Bader-Ginsburg wieder komplett. Unmittelbar zuvor hatte der Senat die Ernennung mit 52 gegen 48 Stimmen bestätigt. Die Demokraten kritisieren die Personalentscheidung so kurz vor den anstehenden Präsidentenwahlen.
– Belarus. Erneut demonstrieren in der Hauptstadt Minsk und andernorts Hunderttausende und fordern den Rücktritt des amtierenden Präsidenten Lukaschenko. Der Staatschef lässt jedoch ein entsprechendes Ultimatum der Opposition verstreichen und nimmt am 29.10. weitreichende personelle Umbesetzungen im Sicherheitsapparat vor.
26.10. – Türkei. Präsident Erdog˘an ruft die Bevölkerung zum Boykott französischer Waren auf. Anlass sind die islamkritischen Äußerungen von Präsident Macron nach den Anschlägen in Paris und Nizza.
31.10. – Corona-Pandemie. Die Johns-Hopkins-Universität (JHU) gibt die Zahl der bisher weltweit mit dem Virus infizierten Personen mit 45,5 Millionen an, die Zahl der Toten liege bei 1,2 Millionen. Für Deutschland berechnet das Robert-Koch-Institut (RKI) die Zahl der Infizierten mit 518 753, gestorben seien 10 452 Personen. Zwischen dem 1. März und dem 31. Oktober dieses Jahres stieg die in Deutschland täglich neu gemeldete Fallzahl des Coronavirus (Sars-Cov-2) von 51 auf 19 059 an.