Ausgabe Februar 2021

Chronik des Monats Dezember 2020

1.12. – Coronapandemie. In einem Bericht der Vereinten Nationen (Global Humanitarian Overview 2021) heißt es, Covid-19 habe „die tiefste globale Rezession seit den 1930iger Jahren ausgelöst“. – Am 3.12. erklärt das Robert-Koch-Institut (RKI), die Zahl der schweren Verläufe und Todesfälle steige von Woche zu Woche. – Vom 3.-4.12. findet in New York ein UN-Sondergipfel statt. Auf der Konferenz wird die Zahl der Corona-Toten mit 1,5 Millionen weltweit angegeben, die Zahl der Erkrankten mit 62 Millionen. Am stärksten betroffen seien die USA, gefolgt von Brasilien, Indien und Mexiko. – Am 13.12. einigt sich Bundeskanzlerin Merkel mit den Bundesländern auf einen weitreichenden „Lockdown“ zur Eindämmung der Pandemie in Deutschland. Die beschlossenen Maßnahmen sind zunächst bis zum 10. Januar 2021 terminiert. Die Bundeskanzlerin erklärt: „Die Maßnahmen von Anfang November haben nicht gereicht.“ Ziel bleibe, die Inzidenzrate auf 50 Fälle pro 100 000 Einwohner zu bringen. – Am 22.12. gibt das für Europa zuständige Paul-Ehrlich-Institut die ersten Chargen eines Impfstoffs gegen das Coronavirus frei, erste Impfdosen in der Bundesrepublik kommen am 26.12. zur Anwendung.

           – Nato. Die Außenminister der Mitgliedstaaten beraten auf einer Videokonferenz über eine Reform der vor 70 Jahren begründeten Allianz. Den Teilnehmern liegt der Bericht einer von Generalsekretär Stoltenberg auf Anregung von Bundesaußenminister Maas eingesetzten „Reflexionsgruppe“ vor. Der Bericht trägt den Titel „Nato 2030: Vereint für eine neue Ära“. Die Experten, darunter der ehemalige Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU), empfehlen, sich deutlich stärker den Bedrohungen aus Russland, aber auch aus China, zu widmen. Methoden hybrider Kriegsführung, Cyberangriffe oder Desinformationskampagnen spielten eine immer größere Rolle. Der Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten müsse intensiviert werden.

           – Frankreich. Nach den Protesten gegen das neue Sicherheitsgesetz (vgl. „Blätter“, 1/2021, S. 127) kündigt die Partei des Präsidenten La Republique en marche/LREM Änderungen an. Der umstrittenste Artikel des Gesetzes werde „neu geschrieben“.

2.12. – Libanon. Auf einer Geberkonferenz für den Libanon fordert der französische Präsident Macron dringend Reformen in dem krisengeschüttelten Land. Es sei bedenklich, dass es noch immer keine Fortschritte bei der Regierungsbildung gebe. Für Deutschland nimmt Bundesaußenminister Maas an der Videokonferenz teil, die von Macron und UN-Generalsekretär Guterres geleitet wird.

3.12. – USA. Der Kongress befasst sich mit dem von beiden Kammern ausgehandelten Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt, darunter der von Präsident Trump geplante Abzug von 12 000 Soldaten aus Deutschland, dem nach Japan zweitgrößten Standort amerikanischer Streitkräfte im Ausland. – Am 5.12. setzt der noch amtierende Präsident Trump auf einer Kundgebung in Valdosta im Bundesstaat Georgia seine Angriffe auf das Wahlergebnis vom 3. November d.J. fort (vgl. „Blätter“, 1/2021, S. 125). „Sie haben betrogen und unsere Präsidentenwahl manipuliert, aber wir werden trotzdem gewinnen“, erklärt Trump und kündigt an, weiter juristisch gegen die veröffentlichten Ergebnisse vorzugehen. Der Supreme Court weist am 8.12. den Antrag auf eine Einstweilige Verfügung gegen das Wahlergebnis in Pennsylvania zurück. Das „Electoral College“ bestätigt am 14.12. das Wahlergebnis. Von den 538 Mitgliedern des Elektorengremiums stimmen 306 für Joe Biden, den Kandidaten der Demokraten. Biden erklärt am 19.12. den Klimaschutz zu einem Schwerpunkt seiner Regierung. In den kommenden vier Jahren sollten fast zwei Billionen Dollar zur Förderung erneuerbarer Energiequellen eingesetzt werden, auf diese Weise sollten zehn Millionen neuer Arbeitsplätze entstehen. Langfristig sei das Ziel, die Wirtschaft bis 2050 klimaneutral zu machen. Trump begnadigt am 22.12. insgesamt 15 Personen, darunter drei ehemalige republikanische Abgeordnete und ehemalige Mitarbeiter des umstrittenen Sicherheitsdienstes Blackwater. Fünf weiteren Verurteilten wird ein Teil ihrer Gefängnisstrafe erlassen. – Am 28.12./31.12. überstimmt der Kongress erstmals ein Veto des noch amtierenden Präsidenten. Die Entscheidung fällt mit der vorgeschriebenen Zweidrittelmehrheit zunächst im Repräsentantenhaus und anschließend im Senat. Trump hatte ein Veto gegen den Verteidigungshaushalt eingelegt.

4.12. – OSZE. Nach monatelangem Tauziehen können sich die 57 Mitgliedstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auf eine Neubesetzung der Führungspositionen einigen. Generalsekretärin wird die deutsche Spitzendiplomatin Helga Schmid, zuletzt Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger (Schweiz) war im Juli d.J. überraschend nicht wiedergewählt worden.

5.12. – Brexit-Verhandlungen. Premierminister Johnson erklärt nach einem Telefongespräch mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, in den Freihandelsgesprächen mit der Europäischen Union gebe es noch „signifikante Differenzen“. Die Verhandlungen zwischen Johnson und von der Leyen werden am 7.12. telefonisch fortgesetzt. Anschließend heißt es, zunächst werde ein Überblick über die noch strittigen Punkte erstellt. Nach weiteren zähen Verhandlungen und einem Treffen von der Leyens mit Johnson am 9.12. einigen sich die Chefunterhändler am 24.12. auf den endgültigen Text des Abkommens über die künftigen Beziehungen der Europäischen Union mit Großbritannien. – Am 30.12., erstmals seit dem Jahr 1912, tritt das britische Unterhaus am vorletzten Tag des Jahres zusammen, um über den „Brexit-Deal“ abzustimmen. Für das umfangreiche Vertragswerk (1250 Seiten) stimmen 521 Abgeordnete, darunter die Mehrheit der oppositionellen Labour-Fraktion, bei 73 Gegenstimmen. Premierminister Johnson betont, der Brexit habe keinen Bruch mit der EU zur Folge. Vielmehr werde Großbritannien eine „phantastische neue Beziehung“ aufbauen und ein Freund und Partner bleiben. Gleichzeitig erlange das Land aber die Souveränität über seine Grenzen, Gesetze und Fischgründe zurück. Nach der Unterzeichnung des Abkommens durch Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Michel setzt auch Königin Elizabeth II. ihre Unterschrift unter den Vertrag, der bis zur Ratifizierung durch das Europäische Parlament provisorisch in Kraft tritt.

7.12. – EU. Die Europäische Union gibt sich ein neues Sanktionsinstrument, um Menschenrechtsverletzungen zu ahnden. So können Vermögenswerte von Personen, Unternehmen und Organisationen, die an Folter, Sklaverei oder systematischer sexueller Gewalt beteiligt sind, eingefroren und Einreiseverbote verhängt werden (vgl. „Blätter“, 1/2021, S. 125). – Am 10./11.12., wenige Tage vor dem Ende der deutschen Ratspräsidentschaft, findet in Brüssel der letzte Gipfel des Jahres der Staats- und Regierungschefs statt. Die Mitgliedstaaten hatten sich zuvor auf eine Zusatzerklärung zum „Rechtsstaatsmechanismus“ geeinigt (vgl. „Blätter“, 1/2021, S. 125 f.), um ein drohendes Veto von Ungarn und Polen gegen das Sieben-Jahres-Budget abzuwenden. Mit dem Haushalt verbunden sind Coronahilfen in Milliardenhöhe.

10.12. – Friedensnobelpreis. Das Nobelkomitee in Oslo verleiht den Friedensnobelpreis 2020 an das Welternährungsprogramm (World Food Program/WFP) der Vereinten Nationen. Die Organisation werde für ihre Bemühungen im Kampf gegen den Hunger sowie ihren Beitrag zur Verbesserung der Friedensbedingungen in Konfliktgebieten ausgezeichnet. Die Übergabe des Preises findet am Sitz des WFP in Rom statt.

11.12. – Österreich. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hebt das Kopftuchverbot an den Schulen des Landes auf. Das seit Herbst 2019 geltende Gesetz richte sich spezifisch gegen junge muslimische Mädchen und verstoße nicht nur gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, sondern auch gegen die Religions- und Gewissensfreiheit.

           – Nagorny Karabach. Nach dem Ende der Kämpfe in der Südkaukasusregion hebt das aserbaidschanische Parlament in Baku den Kriegszustand auf.

12.12. – Klimagipfel. Fünf Jahre nach der Einigung auf das Pariser Klimaabkommen nehmen mehr als 70 Staats- und Regierungschefs, darunter Papst Franziskus, an einem virtuellen „Gipfel für Klima-Ehrgeiz“ (Climate Ambition Summit) teil. Beraten werden die Klimaziele bis 2030. UN-Generalsekretär Guterres fordert alle Staaten auf, den Klimanotfall zu erklären.

           – IStGH. Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court/ICC) Fatou Bensouda kündigt ein Ermittlungsverfahren gegen die islamische Miliz Boko Haram sowie gegen Sicherheitstruppen Nigerias an. Es gebe ausreichend Beweise, dass Mitglieder schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätten.

15.12. – Schweden. Die „Neue Zürcher Zeitung“ berichtet unter der Überschrift „Nato-Beitritt ist kein Tabu mehr in Schweden“ über die weitere Annäherung des neutralen Landes an das nordatlantische Militärbündnis. Der Parlamentsausschuss für Außen- und Sicherheitspolitik habe die Regierung mit der Vorbereitung der „Nato-Option“ beauftragt. Es gehe darum, „die Tür ein bisschen zu öffnen“, so dass man dem Bündnis schnell beitreten könne, solle der Bedarf entstehen.

17.12. – Russland. Präsident Putin hält seine Jahrespressekonferenz digital ab, in der er sich zu Problemen der Innen- und Außenpolitik äußert und den Westen kritisiert. Die Nato nähere sich den russischen Grenzen, das Ausland mische sich in postsowjetischen Raum ein, niemals mit guten Absichten. In den Fragen der Journalisten und den Antworten des Präsidenten kommt auch der „Fall Nawalny“ zur Sprache (vgl. „Blätter“, 11/2020, S. 125). Putin unterschreibt am 22.12. ein Dekret, das – auch ehemaligen – Präsidenten nach ihrem Ausscheiden eine umfassende Immunität gewährt. Die Staatsduma, das Unterhaus des Parlaments, hatte mehrere Gesetzesanpassungen verabschiedet, die die Wahrnehmung von Freiheitsrechten bei Demonstrationen und die gesellschaftspolitische Tätigkeit immer weiter einengen. Nichtregierungsorganisationen, Medien und Einzelpersonen, die Geld oder andere materielle und ideelle Unterstützung aus ausländischen Quellen erhalten, müssen Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen.

           – Weltraum. Die erste chinesische unbemannte Mondmission wird erfolgreich beendet. Die Sonde „Chang‘e 5“ kehrt mit Bodenproben vom Mond zurück. China ist damit nach den USA (60er Jahre) und der Sowjetunion (70er Jahre) der dritte „Mondstaat“.

22.12. – Israel. Die erst im Mai d.J. gebildete Koalition zwischen dem Likud von Ministerpräsident Netanjahu und Blau-Weiß von Verteidigungsminister Gantz zerbricht. Damit kommt es zu Neuwahlen, dem vierten Wahlgang seit April 2019.

23.12. – Türkei/BRD. Ein Gericht in Istanbul verurteilt den im deutschen Exil lebenden Journalisten Can Dündar zu mehr als 27 Jahren Haft. Dündar habe sich Staatsgeheimnisse beschafft und damit militärische oder politische Spionage betrieben. Dafür verhängt das Gericht eine Strafe von 18 Jahren und neun Monaten. Für die Unterstützung einer Terrororganisation (gemeint ist die PKK) lautet das Urteil acht Jahre und neun Monate. Das Gericht ordnet erneut die Festnahme Dündars an. Seine Anwälte hatten die Gerichtsverhandlung boykottiert und erklärt, sie wollten kein Urteil legitimieren, das zuvor bereits politisch entschieden sei.

30.12. – EU/China. Die im Januar 2014 aufgenommenen Verhandlungen über ein umfangreiches Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Volksrepublik China werden erfolgreich abgeschlossen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und Ratspräsident Michel sowie Chinas Präsident Xi Jinping stimmen dem Text des „Comprehensive Agreement on Investment“ (CAI) auf einer Videokonferenz zu, an der auch Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron teilnehmen. Die Kanzlerin hatte im Mai d.J. erklärt, „die Europäische Union hat ein großes strategisches Interesse daran, die Zusammenarbeit mit China, einem der wesentlichen Akteure dieses Jahrhunderts, neu zu gestalten“. Fast die Hälfte aller Investitionen in China aus der EU stammen aus Deutschland.

31.12. – UNO. Deutschland verlässt turnusgemäß nach zwei Jahren den Sicherheitsrat (15 Mitglieder). Die Bundesrepublik, die einen ständigen Sitz in diesem Gremium anstrebt, hatte dem Rat in den Jahren 2019 und 2020 als eines der zehn nichtständigen Mitglieder angehört. UN-Generalsekretär Guterres hatte am 18.12. aus Anlass des 75. Jahrestages der Gründung der Vereinten Nationen im Bundestag eine Rede in deutscher Sprache gehalten und auf die Rolle Deutschlands „als Friedensmacht“ und „als eine Säule des Multilateralismus“ verwiesen. In diesem Jahr seien die Vereinten Nationen „wie nie zuvor auf die Probe gestellt“ worden und man sei weit davon entfernt, die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. „Wir stehen vor der größten Wirtschaftskrise unserer Zeit“. Die Covid-Pandemie habe „tiefe Bruchlinien offengelegt, Ungleichheiten, Ungerechtigkeit und unzureichende soziale Sicherheit“. Globale Herausforderungen brauchten globale Lösungen. Die neuen Impfstoffe, so Guterres, müssten „für alle zugänglich und bezahlbar sein“.

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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