Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes, 29.6.2022
Die Armut hat im Jahre Zwei der Pandemie erneut eine traurige Rekordmarke erklommen. Mit 16,6 Prozent mussten 2021 13,8 Millionen Menschen in Deutschland zu den Einkommensarmen gerechnet werden. Noch nie wurde auf der Datenbasis des Mikrozensus eine höhere Armutsquote für das Bundesgebiet gemessen.
Damit fügt sich auch das Jahr 2021 in einen besorgniserregenden Aufwärtstrend der Armutsquoten, der bereits 2006 eingesetzt hat.
Der tiefe wirtschaftliche Einbruch, der 2020 mit der Pandemie einherging, scheint dabei erst 2021 vollends auf die Armutsquote durchzuschlagen: Im Vergleich zur Erhebung 2019 weist die Erhebung 2021 eine um 0,7 Prozentpunkte höhere Armutsquote aus. Auffällig ist, dass unter den Erwerbstätigen in der Pandemie vergleichsweise mehr Selbständige als abhängig Beschäftigte unter die Armutsgrenze gerutscht sind. Davon abgesehen bleibt das soziodemografische Risikoprofil im Wesentlichen das der Vorjahre: Nach wie vor zeigen Haushalte mit drei und mehr Kindern (31,6 Prozent) sowie Alleinerziehende (41,6 Prozent) die höchste Armutsbetroffenheit aller Haushaltstypen. Nicht Erwerbstätige und Personen mit niedrigem Bildungsniveau sind ebenfalls stark überproportional von Armut betroffen. Das gleiche gilt für Menschen mit Migrationshintergrund (28,1 Prozent) und ohne deutsche Staatsangehörigkeit (35,3 Prozent).
Die Armut unter Kindern und Jugendlichen hat mit 20,8 Prozent wie die Armut allgemein eine neue traurige Rekordmarke erreicht. Gleiches gilt für ältere Menschen (17,4 Prozent) und Rentner*innen (17,9 Prozent), darunter vor allem Frauen. Altersarmut ist überwiegend weiblich.
Im Ländervergleich heben sich vier Bundesländer positiv vom Durchschnitt ab. Es sind Bayern, Baden Württemberg, Brandenburg und Schleswig-Holstein, während gleich fünf Bundesländer mit Quoten ganz deutlich über dem Bundeswert von 16,6 Prozent auffallen. Es sind Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Bremen, wobei Bremen mit 28,0 Prozent das weit abgeschlagene Schlusslicht darstellt.
Auf regionaler Ebene muss das Ruhrgebiet wie schon 2019 als armutspolitisches Problemgebiet Nr. 1 gelten. Mit einer Armutsquote von 21,1 Prozent und einer Hartz IV-Quote von 14,4 Prozent läge dieser größte Ballungsraum Deutschlands mit seinen 5,8 Millionen Einwohner*innen in einem Länderranking nur vor Bremen auf dem vorletzten Platz.
Die Hilfspakete der Bundesregierung in der Pandemie waren ambivalent. Maßnahmen wie das Kurzarbeitergeld oder diverse Schutzschirme für Soloselbständige verhinderten durchaus, dass die Armut unter den Beschäftigten noch mehr wuchs. Die Bemühungen der Bundesregierung waren ganz auf den Erhalt von Beschäftigung ausgerichtet. So gut wie nichts passierte jedoch für die Personen, die sich bereits in Armut und insbesondere im Bezug von Hartz IV oder Altersgrundsicherung befanden. Es brauchte über ein Jahr der Pandemie, bis zum Frühjahr 2021, bevor sich die große Koalition wenigstens zu einer Einmalzahlung von 150 Euro für alle Grundsicherungsbezieher*innen durchringen konnte.
Die aktuellen Entlastungsprogramme in der Inflation wiederum verpuffen armutspolitisch mehr oder weniger. Viele Hilfen verlaufen einkommensproportional. D.h. der absolute Entlastungseffekt steigt mit dem Einkommen, während die Ärmsten wiederum mit nur unzureichenden, weil nicht bedarfsdeckenden, Einmalleistungen adressiert werden. Lediglich Kinder in der Grundsicherung erhalten eine geringe monatliche Aufstockung ihrer Leistung.
Den vollständigen Bericht finden Sie hier.