Dokumente zum Zeitgeschehen

»Solange von irakischem Staatsgebiet aus kein akuter bewaffneter Angriff die Türkei ganz unmittelbar bedroht, bleibt die Existenz der PKK im Irak rechtlich gesehen eine ›innerirakische‹ Angelegenheit«

Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, 17.5.2022

Am 18. April 2022 hat die Türkei eine Militäroffensive (Operation Claw-Lock, „Fesselgriff“) gegen Stellungen der u.a. von Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuften PKK (kurdisch: Partiya Karkerên Kurdistanê, Arbeiterpartei Kurdistans) gestartet. Die Offensive reiht sich ein in eine Serie von (gleichnamigen) Militäroperationen (vgl. z.B. Claw-Eagle, Claw-Tiger, Claw-Lightning, Claw Thunderbolt), welche die türkischen Streitkräfte seit 2019 regelmäßig im Frühjahr gegen kurdische Stellungen im Nordirak und/oder Nordsyrien durchführen.

Medienberichten zufolge habe die türkische Luftwaffe Verstecke, Tunnel und Munitionsdepots bombardiert; dabei seien neben Kampfjets, Hubschraubern und bewaffneten Drohnen auch Bodentruppen zum Einsatz gekommen. Die Militäroperation konzentrierte sich türkischen Angaben zufolge auf die Regionen Metina, Zap und Awaschin-Basjan im Nordirak. Das Gebiet gehört zur kurdisch-autonomen Region Südkurdistan. Ziel der türkischen Offensive sei es, die „Terrorbedrohung“ entlang der türkischen Südgrenze vollständig zu beenden.

Grenzüberschreitende Militäroperationen gegen nicht-staatliche Akteure werfen grundlegende völkerrechtliche Fragen zum ius ad bellum und zum Selbstverteidigungsrecht auf. Die Freiburger Völkerrechtlerin Paulina Starski hat schon vor Jahren die „Modifikation des Selbstverteidigungsrechts im Kampf gegen nichtstaatliche Akteure, die ihre Aktivitäten in Staaten entfalten, die nicht willens oder fähig sind, diese Aktivitäten wirksam zu unterbinden, als eine der „drängendsten Probleme der internationalen Ordnung“ bezeichnet.

Davon zeugen kontroverse Debatten in der Wissenschaft, die Fülle an Lehrmeinungen aber auch die uneinheitliche Staatspraxis sowie der Mangel an gesicherter IGH-Rechtsprechung zu diesem Thema. Teile der völkerrechtlichen Literatur sowie die Wissenschaftlichen Dienste haben sich mit den völkerrechtlichen Implikationen von zwei Militäroperationen der „Claw-Serie“ (Claw-Eagle/ “Adlerkralle“ und Claw Tiger/„Tigerkralle“) gegen PKK-Stellungen im Nordirak bereits auseinandergesetzt.

Gleichwohl macht die Anwendung völkerrechtlicher Normen stets eine konkrete Einzelfallbetrachtung erforderlich, so dass sich eine pauschale Bewertung von grenzüberschreitenden Militäroperationen – wie die der „Claw-Operation-Serie“ im Nordirak – verbietet. Die vorliegende Ausarbeitung wird vor allem das türkische Rechtfertigungsnarrativ näher untersuchen und in einem größeren Zusammenhang völkerrechtlich einordnen und bewerten.

Das vollständige Gutachten finden Sie hier.