Ausgabe Januar 1996

Ende der Stagnationsperiode? Rückkehr der Politik?

Abschied von der Funktionärspartei?

Nein, das hat es in der über 130jährigen Geschichte der SPD noch nicht gegeben. Noch immer hatte bislang die Parteitagsregie funktioniert: Da waren Tage und Wochen vor den Bundesparteitagen Absprachen zwischen den verschiedenen Flügeln und Gruppierungen getroffen worden. Die Bezirke hatten untereinander vereinbart, wen man wählen sollte und wen nicht, so wurden Kandidatenlisten gestrickt, eins links, eins rechts, und regionale Interessen fielen dabei nicht unter den Tisch. Die Antragskommission bewältigte nicht nur die oft vierstellige Zahl von Anträgen, die aus den Ortsvereinen, den Unterbezirken und Bezirken an den Parteitag gesandt worden waren, sondern sie war der Ort, an dem man um Kompromisse rang, wo die auseinanderstrebenden Meinungen, Positionen und Zielvorstellungen wenigstens für den kurzen Moment einer Abstimmung miteinander verbunden wurden. Gerade wenn es brisant zu werden versprach, dann lief die Parteitagsregie Tage und Wochen vor der Tagung auf Hochtouren. Telefondrähte glühten. Parteivorstandsmitglieder, Bezirksfürsten, prominente und weniger prominente Funktionäre trafen sich und redeten miteinander, bis man „alles im Griff“ hatte. „Aufstand der Basis“, „Putsch“, „Staatsstreich“, „Überraschungscoup“, „Brudermord“ - das schien typisch für Honoratiorenparteien, für die Bürgerlichen, für die FDP.

Sie haben etwa 39% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 61% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo