Seit Anfang der 80er Jahre erleben wir - dies sei in aller Kürze rekapituliert - eine permanente Erweiterung von Polizeibefugnissen, eine Expansion der Geheimdienste und immer wieder einschneidende Strafrechtsverschärfungen - betrieben von der Regierung Kohl, streckenweise aber angerichtet und serviert von einer faktischen Großen Koalition der "Inneren Sicherheit" unter Einschluß der SPD. Legalisiert hat man u.a. nachrichtendienstliche Ermittlungsmethoden für die Polizei - verdeckte Ermittler, präventive Lausch- und Spähangriffe, zuletzt den großen Lauschangriff zur Strafverfolgung. Zudem wurden verdachtsunabhängige Kontrollen zugelassen, Strafverfahren beschleunigt, die Hauptverhandlungshaft eingeführt, das Grundrecht auf Asyl ausgehöhlt, Abschiebungen erleichtert. In den Städten wurden dichte "Sicherheitsnetze" geknüpft, unter denen präventive Intoleranz herrscht: Mithilfe von Bundesgrenzschutz, Platzverweisen, Aufenthaltsverboten und Vorbeugehaft läßt man Angehörige störender sozialer Minderheiten aus Bahnhöfen und Konsummeilen vertreiben - eine kollektive Verdrängung von Armut und sichtbarem Elend mit Polizeigewalt statt einer Lösung der zugrunde liegenden sozialen Problemlagen und Konflikte.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.