Alle Wetter! Was für ein Aufstieg! Gestern noch belächelter "Regieren macht Spaß"-Kanzler, heute schon allseits geehrter Weltstaatsmann. Vor einem Jahr noch hätte kaum jemand einen Pfifferling auf Gerhard Schröder gegeben. Geschlagen mit dem Image des Grinsekanzlers, torkelte er politisch von einer Niederlage zur anderen, so daß sich bereits der notorische Hinfaller Rudolf Scharping als potentieller Nachfolger ins Gespräch bringen konnte. Nun scheint das tiefe Tal der Tränen endgültig durchschritten zu sein und der Kanzler einiges verstanden zu haben: Die Cohibas sind lange schon ins Hinterzimmer verschwunden und Gerhard Schröder ist das Lachen zwar nicht vergangen, doch es ist angestrengter geworden. In kurzen zwei Jahren hat der Kanzler einiges überstanden: einen Krieg, einen Finanzminister, und vor allem: sein eigenes Image, das von seiner stärksten Waffe zu seiner stärksten Belastung wurde. Schröder mußte erleben, wie schnell aus dem Macherprofil das Image des Talkshow-Schwätzers auf der GottschalkCouch werden kann. Nach desaströsem Anfang scheint es dem Instinktpolitiker Schröder jetzt gelungen zu sein, die Gunst des Kohl-Debakels durch eigene Tüchtigkeit zu nutzen. Holzmann, Greencard, Bundesrat, Ost-Tour, D 21-Initiative - seither eilte der Mann, zumindest symbolpolitisch, von Sieg zu Sieg.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.