Ausgabe Oktober 2002

Das Comeback der alten Dame

Leni Riefenstahl, die am 22. August ihren 100. Geburtstag feierte, sitzt seit Kriegsende als aktive Propagandistin Hitlers immer wieder auf der Anklagebank. Trotzdem ist sie inzwischen schon so etwas wie eine lebende Legende geworden. Ihre ungebrochene Vitalität (immer habe sie "bis zum Umfallen" gearbeitet; und nun gilt sie als älteste Taucherin der Welt) und die Hartnäckigkeit, mit der sie sich aus den Schatten ihrer Vergangenheit zu befreien, immer wieder selbst zu "entnazifizieren" versucht, haben zu ihrem erstaunlich positiven Bild beigetragen.

Anlässlich von Geburtstagen tritt die "umstrittene" Künstlerin regelmäßig wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. In diesem Jahr gibt es sogar einen neuen Riefenstahl-Film; ihre Memoiren sollen demnächst in den USA von Jody Foster verfilmt werden. Hinter dem "Problem" Riefenstahl steht ein von ihrer Person unabhängiges Dilemma, ein politisch-ästhetischer Dissens, den sie immer wieder auszunutzen weiß einerseits, indem sie sich als unschuldig Verfolgte hinzustellen versucht, und andererseits, indem sie durch eine periodisch wiederkehrende "neuerliche Verdrehung" der öffentlichen Meinung Unterstützung findet, im Fahrwasser eines keineswegs neuen Trends zur "Nostalgie" oder einer "Mode nach hinten" (so Francis Courtade am 19.8.2002 im NDR).

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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